20.10.2022
Meike Lohkamp

Global denken, vor Ort handeln

Kein Land der Welt kann den Klimawandel alleine stoppen. Globale Lösungen, die in internationalen Verhandlungen entstehen, dauern jedoch oft lange, für effektiven Klimaschutz womöglich zu lange. Darauf können wir nicht warten, sagte Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom. Was wir stattdessen brauchen: Anstrengungen auf verschiedenen Ebenen. Davon profitiert nicht nur das Klima.

Dürren und Waldbrände in Europa, Hochwasser und Überschwemmungen in Asien. Vor diesem Hintergrund beginnt am 7. November die 27. Klimakonferenz der Vereinten Nationen in Scharm el-Scheich. Mit dem fortschreitenden Klimawandel werden uns dessen globale Folgen immer drastischer vor Augen geführt. Die Erwartungen an die Weltklimakonferenz sind deshalb auch in diesem Jahr hoch. Die Konferenz der Staaten, die die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) unterzeichnet haben, ist auf globaler Ebene ein wichtiger Hoffnungsträger für wirksamen Klimaschutz. Ziel der Weltklimakonferenzen ist schließlich eine weltweite Klimaschutzpolitik.

Interessen einzelner Staaten oft anders als Interessen der Staatengemeinschaft

Auf den so genannten COPs (Conference of the Parties) werden Strategien und Maßnahmen zum Klimaschutz vereinbart. Der Weltklimarat, englisch Intergovernmental Panel on Climate Change oder kurz IPCC, trägt regelmäßig den gesamten Stand der Klimaforschung zusammen. In seinem neusten Sachstandsbericht betont er, dass der Erfolg von Klimaschutz vor allem von dem Willen der einzelnen Staaten zur internationalen Kooperation abhängt. Häufig kollidieren jedoch die kurzfristigen Eigeninteressen der Staaten mit den langfristigen gemeinsamen Interessen der Staatengemeinschaft. Während es im Interesse der Gemeinschaft ist, die weltweiten Emissionen von Treibhausgasen möglichst schnell zu reduzieren, möchten die einzelnen Staaten zum Beispiel zunächst klären, welches Land für wie viele der sich in der Atmosphäre befindenden Treibhausgase verantwortlich ist. Denn nach dem Verursacherprinzip müssen diejenigen die Kosten für Klimaschutz und -schäden zahlen, die sie verursacht haben. Das heißt zum Beispiel, dass ein Industrieland wie Deutschland mehr Geld für Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen zahlen müsste als Länder wie Indien, Pakistan oder Sri Lanka, die weniger Treibhausgase ausstoßen. Dieses Geld fehlt den Staaten dann an anderer Stelle.

Angst vor Trittbrettfahrern

Oft warten Staaten auch erstmal ab, wie sich andere Staaten verhalten. Schließlich möchte kein Staat das Risiko eingehen, teure Maßnahmen zu ergreifen, von denen zwar alle Staaten profitieren, zu denen aber nicht alle beitragen. Auch durch solche Trittbrettfahrer:innen ist das gemeinsame Ziel – die Begrenzung der globalen Erwärmung auf maximal 2° C, besser 1,5°C – in ernsthafter Gefahr. Denn: Bis Strategien und Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, dauert es so häufig sehr lange.

Diese Probleme gibt es nicht nur beim Klimaschutz. Auch bei anderen Herausforderungen, die kollektives Handeln voraussetzen, wie dem Schutz der Biodiversität, stehen sich Interessen oft entgegen und es gibt Trittbrettfahrer:innen. Solche kollektiven Handlungsprobleme erfahren seit dem 1965 erschienenen Buch Die Logik des kollektiven Handelns des US-amerikanischen Ökonomen Mancur Olson besondere Aufmerksamkeit.

Kurzfristige Treibhausgasreduktionen durch Anstrengungen auf unteren Ebenen

Die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin Elinor Ostrom, die 2009 als erste Frau den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt, hält es auf Grund solcher kollektiver Handlungsprobleme nicht für sinnvoll, beim Klimaschutz alleine auf globale Abkommen zu warten. Stattdessen schlägt sie einen mehrstufigen Lösungsansatz vor. Dabei sollen Einzelpersonen, Familien, Firmen, Gemeinden und Regierungen auf verschiedenen Ebenen ihr Verhalten ändern, um auch kurzfristig weniger Treibhausgase zu produzieren.  Entscheidungen, etwa „innerhalb von Familien über die Wahl der Transportmittel, die Isolierung des Hauses und über Investitionen […] haben kleine (aber in der Summe wichtige) Auswirkungen auf die globale Atmosphäre“, heißt es bei Ostrom.  

Weltweiter und lokaler Nutzen durch Emissionsreduktionen

Dabei haben lokale Emissionsreduktionen nicht nur einen weltweiten Nutzen, sondern sind auch auf anderen Ebenen vorteilhaft, sagt Ostrom. Familien, die klimafreundlich wohnen und konsumieren, produzieren nicht nur weniger Treibhausgase, sie sparen oft auch Geld, etwa durch einen geringeren Stromverbrauch. Ähnlich wichtig seien solche Entscheidungen auch in Unternehmen, so Ostrom weiter. In Deutschland etwa verursacht der Betrieb von Gebäuden laut dem Umweltbundesamt etwa 35 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen, die den größten Anteil an den Treibhausgasemissionen insgesamt haben. Unternehmen, die ihre Gebäude energiearm betreiben, sparen also bares Geld und emittieren gleichzeitig weniger Treibhausgase. Weitere Beispiele für mehrfachen Nutzen, die Ostrom nennt, sind Investitionen in bessere Abfallentsorgungsanlagen, Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung in Städten oder die Reduktion von Subventionen für emissionsintensive Industrien.

Ob auf der diesjährigen COP wirklich ein konkretes Arbeitsprogramm zur Minderung von Emissionen verabschiedet wird, so wie es auf der letzten COP in Glasgow beschlossen wurde, bleibt abzuwarten. Davon profitieren würden wir alle. Weltweit und zuhause.

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