Vom 7. bis 19. Dezember 2022 wurde beim Biodiversitätsgipfel der Vereinten Nationen in Montreal um Arten- und Naturschutz sowie Ausgaben in Milliardenhöhe diskutiert. Am beschlossenen Kunming-Montreal-Abkommen hängt auch der Klimaschutz. Wir liefern Hintergrund zur Konferenz, ihrer Geschichte und den Ergebnissen.

Bis 2030 das Artensterben stoppen, 30 Prozent der Erdoberfläche zu Naturschutzzonen erklären, den Einsatz von Pestiziden um zwei Drittel verringern und jährlich 500 Milliarden Dollar weniger in umweltschädliche Subventionen stecken: Diese und weitere Ziele standen im Entwurf für das internationale Rahmenabkommen zur Biodiversität, das 196 Staaten Ende Dezember in Montreal beschlossen haben. 

So sollen Lebensräume für Tiere und Pflanzen geschützt und die Biodiversität erhalten werden, die Menschheit in Einklang mit der Natur gebracht und deren Zerstörung aufgehalten werden. Die beteiligten Staaten trafen sich nach pandemiebedingten Verschiebungen zur 15. Vertragsstaatenkonferenz. Was geschah auf dem Weg zum Biodiversitätsabkommen? Unser Zeitstrahl zeigt die wichtigsten Stationen.

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1988

Erste Schritte in Richtung eines globalen Abkommens

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) beruft eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe von Expert:innen für biologische Vielfalt ein, um die Notwendigkeit eines internationalen Übereinkommens zu prüfen.

1989

Vorbereitung eines internationalen Rechtsinstruments

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) setzt eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe mit technischen und juristischen Sachverständigen ein, um ein internationales Rechtsinstrument für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt auszuarbeiten. Dabei sollen die Expert:innen die Verteilung von Kosten und Nutzen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern sowie die möglichen Beiträge lokaler Bevölkerungen berücksichtigen.

1992

Erdgipfel von Rio de Janeiro: Übereinkommen über die biologische Vielfalt

Die Biodiversitätskonvention (CBD) wird verabschiedet. Sie ist das wichtigste internationale Vertragswerk für den Schutz der biologischen Vielfalt. Die CBD hat drei Ziele: Die Erhaltung der biologischen Vielfalt, die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt und die gerechte Aufteilung der aus der Nutzung genetischer Ressourcen gewonnenen Vorteile.

1999

Sondertreffen der UN-Biodiversitätskonferenz (ExCOP 1) in Cartagena/Montreal

1999 wird in Cartagena mit der Aushandlung des weltweit ersten Vertrags zum internationalen Handel mit genetisch veränderten Organismen begonnen. Er soll die biologische Vielfalt und die menschliche Gesundheit vor negativen Auswirkungen der veränderten Organismen schützen. 2000 wird das Cartagena-Protokoll in Montréal verabschiedet, 2003 tritt es in Kraft. Die USA, Australien und andere Länder, die hohe Agrarexporte haben, haben das Protokoll bis heute nicht anerkannt.

2002

UN-Biodiversitätskonferenz (COP 6) in Den Haag

Der „Strategische Plan für die Biodiversitätskonvention“ wird verabschiedet. Damit sollen bis zum Jahr 2010 Verluste der Artenvielfalt auf globaler, regionaler und nationaler Ebene reduziert werden.

2004

UN-Biodiversitätskonferenz (COP 7) in Kuala Lumpur

Die Länder verabschieden ein Schutzgebietsprogramm, welches von der Einrichtung von Schutzgebieten über Vernetzung, Verbesserung von Planung und Management, Öffentlichkeitsarbeit bis hin zur Festlegung von Mindeststandards reicht.

2008

UN-Biodiversitätskonferenz (COP 9) in Bonn

Die Länder starten die Life Web Initiative, eine Internet-Plattform, die Geldgeber-Länder und Länder, die nach Finanzmitteln für die Einrichtung neuer Schutzgebiete suchen, zusammenbringt.

2010

UN-Biodiversitätskonferenz (COP 10) in Nagoya und die Aichi-Ziele

Für den Erhalt der biologischen Vielfalt bis 2020 wird ein Strategieplan mit 20 messbaren Zielen verabschiedet. Zu den sogenannten Aichi-Zielen gehören die Renaturierung von Ökosystemen und nachhaltige Nutzung biologischer Ressourcen. Zudem wird das „Protokoll von Nagoya über den Zugang zu genetischen Ressourcen und die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile" beschlossen.

2012

Gründung IPBES und UN-Biodiversitätskonferenz (COP 11) in Hyderabad

Der Weltbiodiversitätsrat IPBES wird gegründet. Das zwischenstaatliche Gremium hat die Aufgabe, Daten zu erheben, die Politik zu beraten und Handlungsmöglichkeiten zum Schutz der biologischen Vielfalt und Ökosystemleistungen für die Menschen aufzuzeigen. Auf der COP 11 in Hyderabad sagen die Industrieländer zu, ihren Beitrag für Schutzmaßnahmen in Entwicklungsländern zu verdoppeln. Alle Teilnehmerstaaten wollen bis 2020 zehn Prozent der Meeresflächen unter Naturschutz stellen.

2016

UN-Biodiversitätskonferenz (COP 13) in Cancún

Die Länder werden aufgefordert, die Umsetzung der Aichi-Ziele zu beschleunigen. Ein Prozess für die Entwicklung von Nachfolgezielen für die 2020 auslaufenden Ziele wird angestoßen. Außerdem wird die Erklärung von Cancún angenommen. Sie setzt Impulse für die Einbeziehung von Biodiversität in den Bereichen Landwirtschaft, Wälder, Fischerei und Tourismus.

2018

UN-Biodiversitätskonferenz (COP 14) in Scharm el-Scheich

Die Länder einigen sich auf einen Aktionsplan, der den weltweiten Rückgang bestäubender Tiere und Insekten aufhalten soll. Außerdem verständigen sie sich darauf, Gebiete in der Ostsee, im Schwarzen Meer und im Kaspischen Meer als bedeutsam für die biologische Vielfalt zu deklarieren. Dies kann als erste Stufe zur Einrichtung neuer Meeresschutzgebiete gelten. Zur Entwicklung von Nachfolgezielen für die 2020 auslaufenden Aichi-Ziele richten die Länder eine Arbeitsgruppe ein.

2022

UN-Biodiversitätskonferenz (COP 15) in Kunming/Montreal – erster Teil

Ein Fonds für Beiträge zur Unterstützung von Artenschutz in Entwicklungsländern wird eingerichtet. In der Erklärung von Kunming riefen verschiedene Länder zum Artenschutz auf, jedoch ohne konkrete Ziele und Maßnahmen zu benennen. Das Abkommen ist rechtlich nicht bindend. Auf dem zweiten Teil der Konferenz, der im Dezember 2022 in Montreal stattfindet, sollen die Verhandlungen darüber fortgesetzt werden.

  • 1988

    Erste Schritte

  • 1989

    Rechtliche Vorbereitung

  • 1992

    Erdgipfel von Rio de Janeiro

  • 1999

    Sondertreffen in Cartagena/Montreal

  • 2002

    UN-Biodiversitätskonferenz in Den Haag

  • 2004

    UN-Biodiversitätskonferenz in Kuala Lumpur

  • 2008

    UN-Biodiversitätskonferenz in Bonn

  • 2010

    UN-Biodiversitätskonferenz in Nagoya

  • 2012

    IPBES und UN-Biodiversitätskonferenz in Hyderabad

  • 2016

    UN-Biodiversitätskonferenz in Cancún

  • 2018

    Biodiversitätskonferenz in Scharm el-Scheich

  • 2022

    UN-Biodiversitätskonferenz in Kunming/Montreal

Nach knapp zweiwöchigen Verhandlungen beschloss die Weltgemeinschaft in Kanada ein neues Rahmenabkommen zur Bewahrung der biologischen Vielfalt auf der Erde. Es enthält 23 Ziele, die wichtig für Natur- und Klimaschutz sind. Die Frage ist nur, welche davon auch wirklich erreicht werden. Mehr zu den Ergebnissen hier >

Wie unsere Wissenschaftler:innen die Erfolgsaussichten vorab einschätzten, lesen Sie in unserem Hintergrund-Artikel zum Start der COP 15. Artikel lesen > 

 

Wieso ist die Biodiversitäts-Konferenz so wichtig fürs Klima?

Das haben wir Wissenschaftler:innen aus den Helmholtz-Zentren gefragt. Der Erhalt und der Wiederaufbau der Biodiversität ist wie eine Versicherung gegen Schäden und gegen Wetterextreme, erklärte uns Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum Umweltforschung - UFZ im Interview zur COP 15. Für eine nachhaltige Zukunft heißt es Biodiversitäts- und Klimaschutz zusammen denken, da sind sich unsere Forschenden einig.

Almut Arneth
Almut Arneth
Almut Arneth
©
KIT

„Biodiversität und Klima sind eng verknüpft. Viele Ökosysteme, in denen Kohlenstoff gespeichert ist, sind sehr divers. Werden tropische Wälder, Savannen oder Feuchtgebiete zerstört, setzt das Kohlendioxid frei – also ein Treibhausgas. Wenn wir diese Ökosysteme schützen oder wiederherstellen, ist das ein Mehrwert fürs Klima und für die Biodiversität. Allerdings können wir nicht erwarten, dass uns die Ökosysteme vor dem Klimawandel bewahren. Die schnelle und massive Reduktion von Treibhausgasemissionen hat oberste Priorität.“

Josef Settele bei Feldarbeiten
Josef Settele bei Feldarbeiten
Josef Settele
©
Björn Kray Iversen

„Für eine sichere Zukunft müssen wir beide Krisen, also Klimawandel und Artensterben, zusammendenken und angehen. Das hat der gemeinsame Workshop-Bericht des Weltklimarats (IPCC) und des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) klar herausgearbeitet. So binden etwa biodiverse Wälder nachhaltig Kohlenstoff und sind widerstandsfähiger gegenüber Wetterextremen. Und beim Anbau von Biomasse zur nachhaltigen Energiegewinnung sollten wir Monokulturen vermeiden, um die Artenvielfalt zu schützen."

Ulrich Schurr
Ulrich Schurr
Ulrich Schurr
©
Forschungszentrum Jülich / Ralf-Uwe Limbach

„Genetische Diversität ist die Grundlage jeglicher Züchtung und ein internationales Schutzgut. Durch moderne Phänotypisierung können wir die strukturelle und funktionelle Diversität von Pflanzen charakterisieren – dies ist die Voraussetzung zur Anpassung von Pflanzen an Trockenheit, Hitze, an Starkregen und Hagel, aber auch für Resistenzen gegen Pflanzenkrankheiten, die sich mit dem Klimawandel ausbreiten.“

Foto von Hans-Otto Pörtner
Foto von Hans-Otto Pörtner
Hans-Otto Pörtner
©
Kerstin Rohlfes, AWI

„Biodiversität und Klima gehören so untrennbar zusammen, dass keine der beiden Krisen ohne die andere zu lösen ist. Wirksamer Umwelt- und Artenschutz, die Wiederherstellung zerstörter Lebensräume sowie eine schonende und nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen unserer Erde sind eine Grundvoraussetzung dafür, den Klimawandel nachhaltig zu begrenzen und eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen zu sichern. Das geht nur mit ambitionierten Emissionsreduktionen und mithilfe intakter Ökosysteme.

Ein wichtiger Schritt wäre, 30 bis 50 Prozent aller Land- und Meeresflächen der Natur zu überlassen und diese nur noch nachhaltig zu nutzen. Die Natur bietet uns aber auch viele Klimalösungen, etwa in der Landwirtschaft und in Städten. Wir müssen den Pflanzen und Tieren nur den Raum und die Umgebungsbedingungen lassen, die sie für ein produktives Leben, für eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel und zum Erbringen der ökosystemaren Leistungen benötigen.“

Porträt des Forschers
Porträt des Forschers
Guillaume Lobet
©
privat

"Der Anbau von Kulturpflanzen steht unter dem Druck sich verändernder klimatischer Bedingungen und wird dies auch in Zukunft tun. Leider gibt es nicht die eine 'Zauberpflanze', die mit allen Umweltbedingungen zurechtkommen würde. Bei den meisten wichtigen Kulturpflanzen, zum Beispiel Weizen, Mais oder Tomaten, gibt es jedoch eine große genetische und phänotypische Vielfalt. Diese 'kultivierte Biodiversität' ist von größter Bedeutung für die Zukunft der Lebensmittelproduktion."

Carsten Neumann mit Rucksack vor einer Stadt in den Bergen.
Carsten Neumann mit Rucksack vor einer Stadt in den Bergen.
Carsten Neumann
©
privat

„Wir können der Erde beim Wandel zuschauen, und was wir sehen beunruhigt, denn Arten und Lebensräume verschwinden rasant. Um einzugreifen, dem Verlust von Vielfalt gezielt entgegenzuwirken, müssen wir verstehen wie komplexe Systeme funktionieren und deren raum-zeitliche Dynamiken abbilden. Noch können wir aktiv handeln und unsere Ökosysteme gestalten. Dafür brauchen wir aber fundierte Kenntnisse über Zusammenhänge und Funktionsweisen im System Erde.“

Yves Zinngrebe in einem Wildblumenfeld
Yves Zinngrebe in einem Wildblumenfeld
Yves Zinngrebe
©
UFZ

„Um das Schwinden unserer Lebensgrundlagen aufzuhalten, darf die Erhaltung der biologischen Vielfalt kein Unterkapitel der Umweltpolitik oder der Entwicklungshilfe bleiben. Sie muss in staatlichen Regulierungen, Fördermassnahmen oder Aufbauhilfen aber auch in privaten Krediten, Investments und Standards umfassend berücksichtigt werden. Es wird viele Milliarden Euro kosten, die neuen Biodiversitätsziele umzusetzen. Wichtig wird sein, welche konkreten Maßnahmen und Initiativen dann umgesetzt werden. Eines der größten Potenziale liegt gerade im Nichtausgeben von Geld – etwa für schädliche Subventionen in Bau und Infrastruktur, Entwicklungshilfe oder Agrarpolitik."

Wie das Bodenleben dem Klima hilft

Standbild aus dem Film: Unser YouTuber mit einem ausgestochenen Stück Boden, wo oben das Gras rauswächst.
Standbild aus dem Film: Unser YouTuber mit einem ausgestochenen Stück Boden, wo oben das Gras rauswächst.
©
Klaus Russell-Wells

Der Boden ist wie ein kleiner Regenwald, denn dort leben viele Arten an einem Standort. In diesem mikroskopischen Dschungel tummeln sich etwa Springschwänze, Milben und Insekten und jede Menge Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze. Über das gemeinsame Nahrungsnetz, das diese Lebewesen bilden, speichern sie Kohlenstoff aus dem CO2, das die Pflanzen aus der Luft aufgenommen haben. Einen Teil atmen sie wieder aus, ein anderer wird aber auch im Boden gebunden und hält so klimaschädliche Treibhausgase aus unserer Atmosphäre fern. Wird der Boden aber zerstört, gibt er mehr CO2 ab, als er aufnimmt, und wir haben ein Problem. Wie können wir mit diesem Ökosystem zusammen arbeiten, statt wie bisher dagegen? Klaus Russell-Wells erklärt es in unserem Film und spricht dafür mit Martin Schädler vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und Nicolas Brüggemann vom Forschungszentrum Jülich.