11.12.2023
Christian Mihatsch

Die Klimakrise und die Gesundheit in Städten

Der Klimakrise ist längst da und tötet Menschen - auch in Deutschland. Durch Anpassung an die neuen klimatischen Bedingungen lassen sich allerdings viele gesundheitliche Folgen reduzieren. Dies gilt insbesondere für Städte, die von der Erwärmung besonders stark betroffen sind.

Die Erde hat sich um 1,2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erwärmt. Das ist allerdings ein Durchschnittswert, der auch die Temperatur über den Ozeanen berücksichtigt. Betrachtet man nur Europa ist die Lage dramatischer: Hier liegt die Temperatur mittlerweile 2,2 Grad höher. So stark hat sich kein anderer Kontinent erwärmt. In großen Städten ist es sogar noch heißer: Dort sorgt der Wärmeinsel-Effekt für weitere Zehntelgrade Erwärmung. Das kann lebensgefährlich sein: Das Robert Koch-Institut schätzt, dass es in Deutschland dieses Jahr 3100 Hitzetote gegeben hat. Aus diesem Grund sei es längst überfällig gewesen, dass bei der 28. UN-Klimakonferenz (COP28) zu ersten Mal „Klimawandel und Gesundheit“ thematisiert wurde, sagt Dr. Peter Hoffmann vom Climate Service Center Germany (GERICS), das am Helmholtz-Zentrum Hereon angesiedelt ist. „Beim Klimaschutz geht es schließlich primär um Menschenschutz und dieser kam bislang zu kurz.“

Doch Städte sind der Erwärmung nicht hilflos ausgeliefert. Wie heiß es in einer Stadt oder einem Quartier wird, kann durch die Stadtplanung beeinflusst werden. Stadtplanerische Maßnahmen haben allerdings oft widersprüchliche Effekte: Die „Stadt der kurzen Wege“ ist gut für den Klimaschutz, da viele Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden können statt mit dem Auto. Eine größere Dichte erleichtert auch die Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Umgekehrt ist der Wärmeinsel-Effekt umso ausgeprägter, je kompakter eine Stadt gebaut ist. Beides hat Auswirkungen auf die Gesundheit der Bewohner:innen: Die zusätzliche Bewegung ist förderlich und die höheren Temperaturen sind der Gesundheit abträglich. Dies gilt insbesondere für ältere Menschen und Kinder, die ihre Körpertemperatur schlechter regulieren können.

Um der Politik und Behörden angesichts solcher Dilemmata bei der Anpassung an die Klimaerwärmung zu helfen, gibt es das GERICS. Dort arbeitet Hoffmann an der Schnittstelle Klima, Gesundheit und Städte. „Stadtplaner:innen müssen sehr viele Aspekte berücksichtigen, vom bestehenden Baubestand, über die demografischen Merkmale der Bevölkerung in einzelnen Quartieren bis hin zu rechtlichen Fragen.“ Oder um es mit den Worten des legendären Stadtplaners Jan Gehl zu sagen: Stadtplanung ist das „Grenzland zwischen Soziologie, Psychologie, Architektur und Planung“. Hoffmann sagt daher: „Einen weiteren Aspekt wie die Anpassung an den Klimawandel zusätzlich zu beachten, ist da schwierig.“ Aus diesem Grund versucht Hoffmann Erkenntnisse aus der Forschung so aufzubereiten, dass sie möglichst genau den Erfordernissen von Stadtplanern entsprechen. „Das beginnt beim Dateiformat. Für geografische Daten nutzen Forschende ein anderes Dateiformat als Stadtplaner:innen.“

Neben Stadtplaner:innen hat das GERICS aber auch die Stadtbewohner:innen im Blick. Wie der Streit um die Verkehrsberuhigung der Friedrichstrasse in Berlin gezeigt hat, ist die Akzeptanz von Maßnahmen durch die Menschen von zentraler Bedeutung. Hier könne ein japanischer Ansatz helfen, meint Hoffmann. Dort bekommt in Workshops ein Teil der Teilnehmer die Aufgabe, zukünftige Generationen zu vertreten. „Sie sollen sich vorstellen, sie lebten in der Zukunft, etwa im Jahr 2050, und kämen zurück in die Gegenwart, um mit den Menschen im Jahr 2023 über die Entwicklung der Stadt zu verhandeln.“ Dadurch träten die oft kleinteiligen Probleme der Gegenwart etwas in den Hintergrund und die Workshop-Teilnehmer bekämen ein anderes Gefühl für die Möglichkeiten. So ließen sich rechtliche Anforderungen meist nicht kurzfristig ändern. Bis 2050 sei hingegen vieles möglich.

Bei der Anpassung von Städten an die Klimaerwärmung gilt es schließlich, auch den Klimaschutz, also die Minderung der Emissionen, mitzudenken. Städte verursachen mehr als 70 Prozent der globalen Emissionen. Das große Thema an der COP28, der Ausstieg aus den fossilen Energien, betrifft daher Städte direkt ­ auch was die Gesundheit von deren Bewohner:innen betrifft. Ein Komplettausstieg würde die Luftqualität in Städten deutlich verbessern. Solche Wechselwirkungen zwischen Anpassung und Klimaschutz (im COP-Jargon „co-benefits“ genannt) gibt es viele. So lässt sich COnicht nur in tropischen Regenwäldern sondern auch in Stadtbäumen speichern, die dort einen kühlenden Effekt haben. Derartige Win-Win-Situationen müssten daher identifiziert und dann auch genutzt werden. Für Hoffmann ist klar: „Hier muss die Wissenschaft zusammen mit Stadtplanerinnen und Gesundheitsexperten neues Wissen generieren, damit wir in Zukunft in klimaneutralen und gesunden Städten leben können.“

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