08.12.2023
Christian Mihatsch

Für 1,5 Grad muss man der Atmosphäre CO2 entziehen

Die Ozeane binden bereits heute einen grossen Teil des CO2s, das die Menschheit durch die Verbrennung fossiler Energieträger freisetzt. Doch sie könnten noch mehr CO2 binden, ohne weiter zu versauern. Dabei haben chemische Methoden den Vorteil, das Ökosystem Meer kaum zu belasten.

Die neueste Forschung „deutet darauf hin, dass eine Überschreitung von 1,5 Grad Erwärmung in naher Zukunft nahezu unvermeidlich ist“. Das ist eine der harten Wahrheiten eines neuen Berichts, der an der 28. UN-Klimakonferenz in Dubai (COP28) vorgestellt wurde. Das bedeutet, dass der Atmosphäre CO2 entzogen werden muss, um wieder zu 1,5 Grad zurückzukehren. Kurz, die Menschheit braucht „Carbon Dioxide Removal“ (CDR), also Methoden, um die CO2-Konzentration in der Atmosphäre wieder zu reduzieren. Die bekannteste Methode ist hier Aufforstung. Wenn Bäume wachsen, entziehen sie der Atmosphäre CO2, lagern den Kohlenstoff (C) im Stamm und in den Ästen ein und geben Sauerstoff (O2) an die Luft ab. Doch Bäume und Wälder haben zwei gravierende Nachteile: Sie brauchen Platz, der für andere Nutzungen wie die Produktion von Nahrungsmitteln fehlt, und sie können brennen.

Der Schutz und die Rehabilitierung von Wäldern muss daher muss daher um weitere CDR-Methoden ergänzt werden. Dazu gehören Methoden, die CO2 in den Meeren binden. Am bekanntesten sind hier küstennahe Ansätze wie der Schutz von Mangrovenwäldern und Seegraswiesen, die auch unter dem Begriff „Blue Carbon“ bekannt sind. „Diese binden 10 bis 30 Mal so viel Kohlenstoff pro Hektar wie Wälder. Aber die Fläche entlang der Küsten ist schlicht zu klein, um genug Kohlenstoff zu speichern“, sagt Professor Andreas Oschlies vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Mehr Potential hat das Züchten und anschließende Versenken von Algen im offenen Meer, da hier mehr Fläche zur Verfügung steht. Doch das sei ein „massiver Eingriff in die Ökosysteme“, da dabei Ökosysteme an der Meeresoberfläche komplett abgeräumt würden und auch Mikroben und Bakterien in tiefen Gewässern landen, die dort sonst nicht vorkommen. „Ideal wären Methoden, die keinen Einfluss auf die Ökosysteme haben“, sagt Oschlies.

Das kann auf chemische Methoden zutreffen. Hierzu zählen das beschleunigte Verwittern von Gestein (enhanced weathering, EW) und Elektrolyse. Praktischerweise haben diese Methoden zumindest theoretisch auch „das größte Potential“. Beim EW nutzt man den Umstand, dass mache Gesteine wie Kalk und Silikate Kohlenstoff binden, wenn sie mit CO2 in Kontakt kommen. Das ist ein natürlicher Prozess, den man beschleunigen kann, indem man Gestein zermahlt und ins Meer streut. Dort reagiert das Gesteinsmehl mit CO2, was zumindest kurzfristig der Versauerung der Meere entgegen wirkt. Anschließend entzieht das Meerwasser der Atmosphäre wieder CO2 und senkt dort die Konzentration des Treibhausgases. Um eine Tonne COauf diese Art zu binden, braucht man ein bis vier Tonnen Gestein. Angesichts der deutschen Restemissionen von 60 bis 120 Millionen Tonnen, die durch CDR kompensiert werden müssen, lässt sich daher die logistische Herausforderung abschätzen. Diese sei vergleichbar „mit der jährlichen Braunkohleförderung in Deutschland“ meint Oschlies und daher nicht unmöglich.

Unterschätzen darf man die Logistik dennoch nicht. In Deutschland findet man etwa in der Eifel Silikatgestein, das sich besonders gut für EW eignet. Dieses müsste folglich dort abgebaut werden, was natürlich einen größeren Umwelteingriff zur Folge hat, und dann per Bahn oder Rheinschiff an die Küste transportiert werden. Das Potential ist allerdings recht groß: Oschlies schätzt, dass „einige zehn 10 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr“ in den deutschen Küstengewässern in der Nord- und Ostsee eingelagert werden könnten. Das Ausbringen von Gesteinsmehl im Meer ist in Deutschland derzeit aber verboten, wird in einigen anderen Ländern, wie den USA, Kanada und Australien aber bereits zu Forschungszwecken untersucht. In diesen Ländern gibt es ohnehin bereits viel Bergbau und beide haben lange Küsten. Nutzt man weltweit alle meeresbasierten EW-Möglichkeiten, ließen sich „bis zu zehn Gigatonnen pro Jahr“ für Jahrtausende in den Ozeanen einlagern.

Eine weitere chemische CDR-Methode ist die Elektrolyse. Dabei wird eine elektrische Spannung an Meerwasser angelegt. Damit kann einerseits Wasserstoff produziert werden und andererseits trennt sich das Wasser in einen sauren und einen basischen Teil. Den basischen pumpt man zurück ins Meer, wo er zunächst der Versauerung entgegenwirkt und die Aufnahme von weiterem CO2 aus der Atmosphäre begünstigt. Den sauren muss man jedoch etwa in Form von Salzsäure an Land einlagern oder binden. Hier sind bereits weltweit diverse Start-ups aktiv, doch diese „reden gerne über Wasserstoff, nicht aber über die Entsorgung der Säure“, sagt Oschlies und macht damit auf einen Schwachpunkt in der Kommunikation dieser Akteure aufmerksam. Angesichts der heute bereits relativ moderaten Kosten von meeresbasiertem EW von 100 bis 200 Dollar pro Tonne CO2 dürfte der Markt für diese Methoden aber weiterwachsen. Oschlies schätzt, dass Start-ups in zehn Jahren der Atmosphäre gemeinsam Millionen Tonnen CO2 pro Jahr entziehen werden. Er resümiert daher: „Meeresbasierte CDR-Methoden werden ein wichtiger Bestandteil des künftigen CRD-Portfolios der Menschheit sein."

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