24.04.2024
Komila Nabiyeva

Heizen mit Daten: Abwärme aus Rechenzentren nutzen

Mit der Digitalisierung steigt der Bedarf an Rechenleistung und damit der Energieverbrauch. Nach dem neuem Energieeffizienzgesetz müssen Rechenzentren klimafreundlicher werden und ihre Abwärme verstärkt nutzen. Wie das geht, zeigen Best-Practice Beispiele, unter anderem der Green IT Cube des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung. 

Die fortschreitende Digitalisierung beansprucht viel Energie, vor allem für den Betrieb von Rechenzentren. Nach Angaben des Borderstep Instituts stieg der Energiebedarf von Rechenzentren in Deutschland zwischen 2010 und 2022 um 70 Prozent auf knapp 18 Terawattstunden pro Jahr. Zum Vergleich: der Jahresstromverbrauch der gesamten Stadt Berlin lag bei 12,5 Terawattstunden in 2022.

Ein Großteil dieser Energie wird in den Servern in Wärme umgewandelt, die in der Regel nicht genutzt, sondern mit zusätzlichem Aufwand an die Außenluft abgegeben wird. Hier steckt ein riesiges Potential:  mit der sogenannten Abwärme könnten laut Schätzungen des Digitalverbandes bitkom jährlich rund 350.000 Wohnungen versorgt werden. Das entspricht etwa dem Wohnungsbestand von Bremen. 

Dieses Potential soll künftig stärker genutzt werden, schreibt das neue Energieeffizienzgesetz (EnEfG) vor, das seit November 2023 in Kraft ist. Die neuen Rechenzentren, die ab Juli 2026 in Betrieb gehen, müssen nachweisen, dass 10 Prozent ihrer Abwärme weiter genutzt werden. Dieser Anteil soll kontinuierlich steigen. Insgesamt sollen, laut dem Gesetz, die bestehenden und neuen Rechenzentren effizienter werden. Die Effizienz wird anhand der Power Usage Effectiveness (PUE) gemessen. Der PUE-Wert zeigt das Verhältnis des Jahresenergiebedarfs des gesamten Rechenzentrums zum Jahresenergiebedarf der IT-Technik: Je kleiner der Wert, desto effizienter ist die Gebäudetechnik, inklusive Klimatisierung und Abwärmenutzung. 

Best-Practice Beispiel: Green IT Cube  

Wie die Abwärme aus Rechenzentren sinnvoll genutzt werden kann, zeigen knapp 100 Vorreiterbeispiele aus 15 Ländern, die die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF) e.V. und die Universität Stuttgart in eine Best-Practice-Übersicht zusammengefasst haben.  Darunter ist auch der Green IT Cube vom GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt, der seit 2016 in Betrieb ist. Bereits 2018 wurde der Green IT Cube mit dem „Blauen Engel“ ausgezeichnet, einer vom deutschen Umweltministerium vergebenen Auszeichnung für umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen.  

Green IT Cube in der Nacht
Green IT Cube in der Nacht
©
G.Otto/GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung

Das Höchstleistungsrechenzentrum in Würfelform hat sechs Etagen und kann mit ca. 770 Serverracks bestückt werden. Anstatt mit Luft werden die Rechner indirekt mit Wasser gekühlt. Dabei durchfließt das Kühlwasser direkt die Rücktüren der Serverracks und kühlt diese ab, erzählt Sebastian Schall, Fachgruppenleiter vom Data Center bei GSI. Das spart nicht nur Energie, sondern ermöglicht eine platzsparende Bauweise. Das Kühlwassersystem ist über einen Wärmetauscher mit dem Kantinen- und Bürogebäude auf dem Campus verbunden, die im Winter mit der anfallenden Abwärme geheizt werden, so Schall.     

Dank des innovativen Kühlsystems weist der Green IT Cube einen durchschnittlichen PUE-Wert pro Jahr von 1,07 auf, was wesentlich besser als bei herkömmlichen Rechenzentren ist. „Zum Vergleich: der aktuelle PUE-Mittelwert bei bestehenden deutschen Rechenzentren liegt bei 1,5-1,6 und bei neugebauten Rechenzentren bei etwa 1,3“, sagt Helmut Kreiser, stellvertretender Abteilungsleiter und Gruppenleiter der Core Services IT sowie Leiter der Rechenzentren bei GSI. 

Herausforderungen 

Doch nicht alles, was im Green IT Cube möglich ist, ist bei anderen Rechenzentren realisierbar, betont Kreiser. Viele Institutionen, wie etwa Banken, haben strengere gesetzliche Vorschriften und Sicherheitsstandards, die die Umstellung auf energieeffiziente Technologien erschweren. Die Kühlung mit Wasser sei am Markt noch nicht etabliert, so Kreiser. Mit wenigen Ausnahmen benutzen die Rechenzentren Luftkühlung, da für die meisten Betreiber:innen und Kund:innen Wasser in der Nähe der Server „ein absolutes No-Go ist“. 

Dazu kommt, dass die Abwärme der luftgekühlten Rechenzentren in der Regel nicht ausreicht, um damit direkt heizen zu können. Bei der Luftkühlung werden Temperaturen von maximal 30 Grad im umlaufenden Kühlwasser erreicht und müssen durch eine Wärmepumpe angehoben werden, um sie in einem Gebäude- oder Fernwärmenetz nutzen zu können. Bei einer reinen direkten Wasserkühlung (auf den Chips) hingegen werden 50 bis 60 Grad erreicht, was die zusätzliche Energiekosten für die Erhöhung der Temperatur reduziert.

Als zusätzliches Problem sieht Kreiser, dass Rechenzentren oft keine geeigneten Abnehmer:innen für die Abwärme in der näheren Umgebung finden können und die notwendige Wärmenetzinfrastruktur fehlt. Einer aktuellen Umfrage der DENEFF zufolge waren die fehlenden Abnehmer:innen der häufigste Grund für die Zurückstellung von Projekten zur Abwärmenutzung. Der Digitalverband bitkom ist optimistisch, dass die Wärmenetze in Deutschland bis zum Jahr 2035 deutlich ausgebaut und modernisiert werden und somit einen großen Teil der Abwärme von neu gebauten Rechenzentren aufnehmen können.

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