12.01.2023
Simon Kapitza

Klimaschutz bei den G7: ein exklusiver Klimaclub für alle

Trotz einiger Fortschritte in den letzten Jahren kommen die weltweiten Klimaschutzbemühungen nur zäh voran. Schon länger zeigt sich, dass kleinere Verhandlungskoalitionen weniger Staaten in der internationalen Klimadiplomatie eine zunehmend wichtige Rolle zur Einhaltung des 1,5-Grad-Pfades spielen. Der jüngst beschlossene Klimaclub der G7 birgt viel Klimaschutzpotential, jedoch ist fraglich, ob sich diese Idee in Zeiten multipler Herausforderungen durchsetzen kann.

Kleine Koalitionen als Klimaschutztreiber

Die Selbstverpflichtungen zum Klimaschutz und die Geschwindigkeit ihrer Umsetzung reichen nicht aus um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu limitieren. Vor allem die Industriestaaten stehen in der Verantwortung. Allein Deutschland ist für rund 2 Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich. Die Emissionen der G7, einem informellen Zusammenschluss von sieben Industriestaaten, belaufen sich auf rund 21 Prozent - bei nur 10 Prozent der Weltbevölkerung. Entsprechend stand trotz multipler Krisen der Klimaschutz in den letzten Jahren hoch auf der Tagesordnung der G7, nicht zuletzt angetrieben durch die COP15 in Kopenhagen 2009.

Dabei konnte sich die weltweite Staatengemeinschaft nicht auf ein verbindliches Klimaabkommen einigen. Als Konsequenz wurde im Nachgang vermehrt auf Verhandlungen in kleineren Staatengruppen gesetzt, mit dem Ziel, Selbstverpflichtungen trotz des Fehlens eines globalen Klimaabkommens durchzusetzen. Das Pariser Abkommen 2015 war zwar ein Bekenntnis zum wissenschaftlich ermittelten 1,5-Grad-Ziel, setzte jedoch keine verbindlichen Maßnahmen für einzelne Staaten fest. Später im selben Jahr brachte der Ökonom William Nordhaus daher erstmals die Idee eines internationalen Klimaclubs ein.  Ein solcher Klimaclub soll das Tempo des internationalen Klimaschutzes anziehen.

Ein exklusiver Klimaclub - für alle

In einem Klimaclub sollen sich nach Nordhaus Länder auf gemeinsame Regeln zum klimafreundlichen Wirtschaften einigen.  So soll verhindert werden,  dass durch strengere Klimaschutzauflagen Unternehmen ihre Produktion in Länder mit weniger strengen Klimaauflagen verlagern. Beispielsweise äußert sich dies im EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS). In der EU fallen durch meist verpflichtende Emissionszertifikate hohe CO2-Kosten für Unternehmen an, was für sie ein Wettbewerbsnachteil auf internationalen Märkten bedeutet. Viele Unternehmen verlagern daher Produktion und Emissionen von der EU in Drittstaaten mit geringeren Kosten für Emissionen. Dadurch tritt das Phänomen der „Carbon Leakage“ ein. Handelspolitische Abkommen, wie sie im Rahmen des Klimaclubs verabschiedet werden sollen, können dem entgegenwirken. So machen beispielsweise gemeinsame Zölle auf emissionsintensive Waren aus Drittländern mit niedrigen Klimaschutzauflagen die unter höheren Auflagen produzierten heimischen Waren wettbewerbsfähiger. Die Abwanderung von Unternehmen wird dadurch eingedämmt (CO2-Grenzausgleich).

Die Idee eines Klimaclubs wurde im letzten Jahr unter deutscher G7-Präsidentschaft durch die Initiative von Bundeskanzler Olaf Scholz wieder aufgegriffen. Auf dem G7-Gipfel in Elmau erfuhr die Idee breite Unterstützung und die G7-Partner verabschiedeten im Juni eine erste Erklärung. Pünktlich zum Wechsel der Präsidentschaft lag Ende 2022 der endgültige Beschluss vor. 2023 soll ein Interimssekretariat die Initiierung des Klimaclubs begleiten.

Wächst der Klimaclub, wachsen auch die Kosten einer Nichtmitgliedschaft. Obwohl der Club einen exklusiven Charakter hat, funktioniert er als Klimaschutzinstrument durch die langfristige Einbindung so vieler Staaten wie möglich. Laut Bundeskanzler Olaf Scholz zeichnet sich dies bereits ab:

„Ich erfahre viel Zuspruch von internationalen Partnern über die G7 hinaus, mit denen wir eng zusammenarbeiten und den Klimaclub weiterentwickeln werden. Denn der Klimaclub soll keine G7-Initiative sein, sondern global breit getragen werden. Mit dem Klimaclub und dem sozial gerechten Umbau unserer Industrien hin zur Klimaneutralität leisten wir einen wichtigen Beitrag, die globalen Klimaziele zu erreichen.“

Vor allem die Mitgliedschaften von Großemittenten wie China (etwa 33 Prozent der globalen CO2-Emissionen), Indien (etwa 7 Prozent der globalen CO2-Emissionen) und vielen weiteren G20-Staaten sind für einen langfristigen Erfolg des Clubs essenziell, jedoch nicht in jedem Fall absehbar. Der bilaterale Konflikt zwischen China und den USA und die Situation im südchinesischen Meer etwa machen eine produktive Kooperation Chinas mit den G7 unwahrscheinlich.

Frischer Wind in turbulenten Zeiten?

Trotz des großen Potenzials des Klimaclubs besteht die Möglichkeit, dass seine Realisierung hinter den Erwartungen zurückbleibt. Außenpolitische Geschlossenheit und innenpolitische Akzeptanz sind gerade in dieser von Krisen getrübten politischen Realität wichtige Vorrausetzungen für derartige  Initiativen zwischen mehreren Staaten. Der Krieg gegen die Ukraine, die weltweit wachsende soziale Ungleichheit und die komplexen Sachfragen der globalen Transformation - die G7 stehen vor einem Geflecht politischer Herausforderungen, die globale Klimaschutzbemühungen überlagern. In ihrer Haltung zur Ukraine müssen die G7 Geschlossenheit signalisieren, im Rahmen der Vereinten Nationen für Unterstützung werben und wichtige energiepolitische Fragen adressieren. Soziale und wirtschaftliche Reformen sind notwendig, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt innerhalb der Staaten zu fördern und so wachsenden nationalistischen Strömungen entgegenzuwirken.

Dazu kommt eine nach wie vor nur vage Umschreibung der Umsetzung des Clubs. Der Klimaclub muss auch für Schwellen- und Entwicklungsländer mit bisher niedrigen Klimaschutzambitionen realistisch erreichbar sein – auch um Vertrauen zu schaffen, dass es sich bei dem Club nicht lediglich um eine westliche Wirtschaftsallianz unter dem Deckmantel des Klimaschutzes handelt. Wie beitrittsinteressierte Schwellen- und Entwicklungsländer aber in der Transformation ihrer Industrien unterstützt werden sollen, ist unklar.

Gleichzeitig existieren mit dem aktuell in der Schlussphase der Verhandlungen befindlichen EU-Kohlenstoffgrenzausgleichsmechanismus (CBAM) und Präsident Bidens jüngstem Vorschlag für ein transatlantisches Handelsabkommen für emissionsärmeren Stahl bereits ähnliche Initiativen mit großer Reichweite.

Es bleibt abzuwarten, ob die Idee des Klimaclubs ihr Momentum bewahrt und mit zusätzlicher Unterstützung aus den Reihen der G20 in Dubai erfolgreich an den Start gehen kann – auch trotz der weiterhin angespannten geopolitischen Situation und den großen Herausforderungen in den Finanzierungsverhandlungen für den neuen Fonds für Klimaschäden der verletzlichsten Länder.

 

                                                                                                           

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