26.03.2024
Ulrike Schneeweiß

Planetare Gesundheit

Pandemien, Klimawandel und schwindende Artenvielfalt gehören zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. In öffentlichen Diskursen wird häufig nicht hinreichend klar: Die großen Probleme der Menschheit hängen zusammen. 

Unter dem übergreifenden Begriff der planetaren Gesundheit’ hat sich mittlerweile ein Forschungsfeld etabliert, das die Gesundheit des Menschen im Zusammenhang mit dem Zustand der Erde und der Integrität ihrer Ökosysteme betrachtet. Forschende aus den Geo- und Umweltwissenschaften, der Medizin und den Sozialwissenschaften arbeiten hier im Austausch mit Fachleuten aus Gesundheitspraxis und Politik. Sie fragen beispielsweise: Wie sieht eine ausgewogene und umweltschonende Ernährung aus? Wie werden Städte zu gesunden und klimafreundlich Lebensräumen? Und wie können Gesundheitssysteme die Folgen des Klimawandels für den Menschen auffangen und dabei nachhaltig funktionieren? Ihr Ziel: eine gesunde Umwelt zu erhalten und Krankheiten vorzubeugen.


Das sich wandelnde Klima verändert viele Umweltfaktoren. Beispielsweise breiten sich Krankheitserreger in wärmer werdende Regionen aus. Wie gut Menschen gegen diese Erreger gewappnet sind, hängt auch von ihrem Immunsystem ab. Es wird maßgeblich im Kindesalter trainiert von Mikroorganismen aus der Umwelt. Wie sie dabei mit dem körpereigenen Mikrobiom, also den Mikroorganismen, die natürlicherweise den menschlichen Körper besiedeln, zusammenspielen, erforscht Michael Schloter bei Helmholtz Munich. „Je geringer die Vielfalt an Mikroorganismen in der Umgebung, etwa in modernen Städten, desto artenärmer fällt auch das Mikrobiom insbesondere der Atemwege und der Haut aus, erklärt er. „Das kann unsere Abwehrkräfte beeinträchtigen.“ 

Gleichzeitig profitieren Krankheitserreger tendenziell von abnehmender Artenvielfalt. „Oft setzen sie sich durch, wenn der Konkurrenzdruck sinkt.“ Das Mikrobiom im Darm ist vielfältiger, je ausgewogener unsere Ernährung ist. Die Qualität landwirtschaftlich erzeugter Nahrungsmittel, erklärt Schloter, steigt wiederum, wenn das Boden- und Umweltmikrobiom intakt und artenreich ist. Da schließt sich der gedankliche Kreis der planetaren Gesundheit: Qualitativ hochwertige Nahrungsmittel fördern die menschliche Gesundheit. Und sie gedeihen unter Bedingungen, die Boden und Umwelt schonen - so dass diese erhalten bleiben und gesunde Lebensmittelproduktion langfristig ermöglichen. 

Kathleen Mar, Wissenschaftlerin am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit (RIFS) am Helmholtz-Zentrum in Potsdam, beobachtet die internationalen Klimaverhandlungen. „Interessanterweise finden immer mehr gesundheitliche Aspekte Eingang in die nationalen Klimaschutzbeiträge des Pariser Abkommens, sagt sie - das Verständnis planetarer Gesundheit dringt in die Politik. Die Betrachtung verschiedener Fragestellungen aus diesem gemeinsamen Blickwinkel kann neue Lösungsansätze hervorbringen. „In der praktischen Umsetzung treffen sie oft noch auf strukturelle Hürden“, gibt Mar zu bedenken - etwa die Frage danach, welche Ministerium für ein Vorhaben zuständig ist. Doch planetare Gesundheit ist nicht nur ein Forschungsgebiet. Das Konzept bietet auch einen Rahmen für Kommunikationsstrategien. Die Verknüpfung unterschiedlicher Fragen und Ansätze ergibt neue Bilder und Narrative. „Damit können wir Menschen erreichen, die sich bisher nicht intensiv mit Klimaschutz beschäftigt haben“, sagt Mar.

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