08.11.2023
Denise Müller-Dum und Jens Kube

Wie Lachgas den Klimawandel antreibt

Nicht nur Kohlendioxid, auch Lachgas ist ein Treibhausgas – sogar ein besonders starkes. Seine Konzentration in der Atmosphäre steigt seit Jahrzehnten an. Das hängt unter anderem mit dem Einsatz von Stickstoffdünger in der Landwirtschaft zusammen.

Die menschlichen Einträge von Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre sind hauptverantwortlich für die aktuelle globale Erwärmung. Doch auch Distickstoffmonoxid (N2O) – besser bekannt als Lachgas – verstärkt den natürlichen Treibhauseffekt. Seine Klimawirkung pro Tonne ist sogar rund 270-mal stärker als die von CO2. Deshalb trägt Lachgas trotz seines deutlich geringeren Gehalts in der Atmosphäre mittlerweile rund sechs Prozent zur menschengemachten Erwärmung bei.

Wenn Mikroorganismen Biomasse zersetzen – beispielsweise in Böden –, dann entsteht Lachgas als Nebenprodukt. In welchem Maße hängt von der Verfügbarkeit des Elements Stickstoff ab. Dieser ist zwar Hauptbestandteil der Luft, doch das hier vorliegende Molekül – N2 – ist sehr stabil. Die meisten Mikroorganismen und Pflanzen können es daher nicht ohne Weiteres verwerten. Sie benötigen den Stickstoff in Form von Nitrat oder Ammoniak, und der war lange Zeit Mangelware. 

Mehr Stickstoff für Nahrungsmittel, mehr Lachgas

Das änderte sich Anfang des 20. Jahrhunderts, als die Chemiker Fritz Haber und Carl Bosch den atmosphärischen Stickstoff mithilfe der Ammoniaksynthese für Lebewesen leichter verfügbar machten. Das Verfahren ermöglichte die Herstellung von Kunstdünger, ohne den die moderne Nahrungsmittelproduktion für eine wachsende Weltbevölkerung undenkbar wäre. 2020 wurde Kunstdünger im Umfang von 123 Millionen Tonnen Stickstoff produziert – fast zehnmal mehr als noch 60 Jahre zuvor.

Diese riesige Menge von reaktivem Stickstoff kurbelt aber nicht nur das Pflanzenwachstum an, sondern auch die Entstehung von Lachgas. Entsprechend gilt die Landwirtschaft, in der natürliche und künstliche Dünger massiv zum Einsatz kommen, auch als Hauptquelle des vom Menschen verursachten Lachgases. Seit den 1980er Jahren sind die Emissionen in diesem Sektor weltweit um mehr als 45 Prozent gestiegen.

Doch Lachgas entsteht nicht nur dort, wo der Dünger ausgebracht wird. Denn der reaktive Stickstoff gerät von den Böden schnell in Grund- und Oberflächengewässer. Das beeinträchtigt die Wasserqualität und lässt auch dort Lachgas entstehen. So zeigten Forschende des Helmholtz-Zentrums Hereon, dass die Mündung des Flusses Elbe das ganze Jahr über Lachgas in die Atmosphäre freisetzt – besonders während Algenblüten.

Stickstoff verteilt sich auch auf dem Luftweg auf andere Ökosysteme: So schlagen sich reaktive Stickstoffverbindungen, die durch Verbrennungsprozesse in die Atmosphäre geraten, später im Ozean oder auf Landflächen nieder. Man spricht von atmosphärischer Deposition. Deshalb sind beispielsweise auch die Lachgas-Emissionen aus den Weltmeeren gestiegen.

Seit Beginn der Industrialisierung hat die N2O-Konzentration in der Atmosphäre um 23 Prozent zugenommen. Und die Emissionen steigen immer schneller. Immerhin: In Europa hat sich der Trend schon vor einiger Zeit umgekehrt. Hier sinkt der Lachgas-Ausstoß aufgrund politischer Maßnahmen gegen übermäßigen Düngereinsatz. Er ist aber weiterhin zu hoch, um die Pariser Klimaziele zu erreichen.

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