23.11.2022
Gudrun Sonnenberg

Biodiversitätsgipfel und Klima: Mehr Mut und Maßnahmen

Vom 7. bis 19. Dezember 2022 verhandeln in Montreal 196 Staaten über ein neues Rahmenabkommen zur Biodiversität. Es geht um Artenschutz, mehr Flächen für Naturschutz und Ausgaben in Milliardenhöhe. An diesem Abkommen hängt auch der Klimaschutz. Nun braucht es politischen Mut und verbindliche Maßnahmen.

Bis 2030 das Artensterben stoppen, 30 Prozent der Erdoberfläche zu Naturschutzzonen erklären, den Einsatz von Pestiziden um zwei Drittel verringern und jährlich 500 Milliarden Dollar weniger in umweltschädliche Subventionen stecken: Diese und weitere Ziele stehen im Entwurf für das internationale Rahmenabkommen zur Biodiversität (GBF), das 196 Staaten im Dezember in Montreal beschließen wollen.

So sollen Lebensräume für Tiere und Pflanzen geschützt und die Biodiversität erhalten werden, die Menschheit in Einklang mit der Natur gebracht und deren Zerstörung aufgehalten werden. Die beteiligten Staaten haben die Biodiversitätskonvention der Vereinten Nationen (Convention on Biological Diversity - CBD) unterzeichnet. Sie treffen sich – nach mehrfachen pandemiebedingten Verschiebungen – zur 15. Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, COP 15). Der Entwurf, der in Kanada auf ihrem Tisch liegt, enthält insgesamt 21 Ziele, die man bis 2030 erreichen will.

Politisch im Schatten: Artenschutz und Biodiversität

Während Klimaschutz in aller Munde ist, erfahren Artenschutz und biologische Vielfalt gesellschaftlich wie politisch weniger Aufmerksamkeit – obwohl beide auf die Beschlüsse der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 zurückgehen. So werden, anders als bei der Weltklimakonferenz im November in Ägypten, in Montreal voraussichtlich keine Staats- und Regierungschefs auftreten. Geplant ist, dass vom 15. bis 17. Dezember 2022 die Umweltminister die Verhandlungen beschließen.

Diese Priorisierung wird der Sache nicht gerecht, denn die Biodiversität ist auch für den Klimaschutz unabdingbar. „Zwar können uns Ökosysteme nicht vor dem Klimawandel bewahren – die rapide Reduktion von Treibhausgasemissionen hat hier oberste Priorität“, sagt Almut Arneth vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Aber Biodiversität und Klima sind eng miteinander verknüpft. Klimawandel ist ein wichtiger Treiber von Biodiversitätsverlust. Gerade produktive und kohlenstoffreiche Ökosysteme wie tropische Wälder, Savannen oder Feuchtgebiete weisen eine hohe Biodiversität auf und setzten bei einer Zerstörung besonders viel Kohlendioxid frei. Auf der anderen Seite generiert der Schutz natürlicher Ökosysteme, beziehungsweise deren Wiederherstellung, dann auch einen Mehrwert für das Klima.“

Die Lage ist dramatisch

„Der im Entwurf zur COP 15 enthaltene Anteil von 30 Prozent Schutzgebieten im Meer ist nicht nur für die Biodiversität, sondern auch für den Klimaschutz von wesentlicher Bedeutung“, sagt Ute Jacob vom Helmholtz-Institut für Funktionelle Marine Biodiversität (HIFMB) an der Universität Oldenburg. Sie ist Mitautorin des Global IPBES-Assessment zu Biodiversität und Ökosystemleistungen. Dieser Bericht zeichnet einen dramatisches Bild: Unter anderem beziffert er die Zahl der vom Aussterben bedrohten Arten auf eine von geschätzt acht Millionen Arten. 75 Prozent der Landoberfläche und 66 Prozent der Meeresfläche sind durch menschlichen Einfluss verändert worden, über 85 Prozent der Feuchtgebiete gingen in den letzten 300 Jahren verloren, und die weltweite Waldfläche ist gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter um rund ein Drittel kleiner.

Finanzausgleich ist ein Knackpunkt

Allerdings sind diese Entwicklungen ungleich verteilt. Die meisten noch intakten Flächen befinden sich in den weniger industrialisierten Ländern des sogenannten globalen Südens, wogegen in reichen Staaten wie Deutschland kaum noch unberührte Natur zu finden ist. Während die EU-Staaten sich für Montreal unter anderem für den Erhalt der Schutzgebiete zu Land und Wasser stark machen wollen, fordern jene ärmeren Länder, in denen sich die meisten Flächen befinden, einen ökonomischen Ausgleich für deren Erhalt.

Die Finanzierungsfrage dürfte ein Knackpunkt für den Erfolg der CBD-COP 15 sein. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versuchte im September ein positives Signal mit der Ankündigung zu setzen, Deutschland werde 1,5 Milliarden Euro pro Jahr bis 2025 bereitstellen. Doch dieser Betrag ist erstmal nur ein Tropfen aus dem heißen Stein. Denn der Entwurf für das Abkommen nennt jährlich 700 Milliarden Dollar, die es braucht, um die 21 Ziele umzusetzen, und sieht vor: Mit Ausgleichszahlungen und durch den Abbau umweltschädlicher Subventionen von rund 500 Milliarden Dollar soll diese gigantische Summe zusammen kommen.

Schon frühere Ziele wurden verfehlt

Wird das Abkommen erfolgreich verabschiedet und umgesetzt werden können? Die Erfahrung mit seinem Vorgänger lassen Zweifel aufkommen. Bereits 2010 hatten sich im japanischen Nagoya die CBD-Staaten auf 20 Ziele – die sogenannten Aichi-Ziele – zur Rettung der Biodiversität verständigt. Davon wurde kein einziges erreicht. Der Entwurf des neuen Abkommens enthält daher auch Klauseln für die Umsetzung. Die Staaten sollen nationale Umsetzungspläne erstellen und darüber auf der nächsten Konferenz, der COP 16, beraten. Die Frage ist, ob dieses Vorgehen so beschlossen wird – und was es tatsächlich bewirken kann.

Beobachter blicken mit Sorge auf die Konferenz. „Es läuft gerade alles darauf hinaus, dass der Zielkatalog lediglich – wie das letzte Mal – als Anhang einer Entscheidung angenommen wird. Also völlig ohne jegliche rechtliche Verbindlichkeit oder Konsequenzen, die bei einem Scheitern drohen“, sagt Yves Zinngrebe, Forscher am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) , Berater der Bundesregierung und Mitglied im Netzwerk-Forum Biodiversität in Deutschland (NeFo), das den COP15-Prozess beobachtet. „Was fehlt ist, dass ein politisches Momentum in die Sache kommt“, sagt Zinngrebe und hofft: „Dass irgendwer Führung zeigt, konkrete Maßnahmen für die Umsetzung der Ziele auf den Tisch legt und mögliche Konsequenzen – z.B. im Bereich Handel oder Zusammenarbeit – daran knüpft.“

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