Mit Energieszenarien in die Zukunft blicken


Wie sieht die Welt im Jahr 2045 aus? Klar ist: Bis dahin muss Deutschland treibhausgasneutral werden. Doch es gibt viele unterschiedliche Wege, die zu diesem Ziel führen können. Welcher ist der beste? Detaillierte Energieszenarien der Jülicher Systemanalytiker:innen weisen die Richtung.
Deutschland hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2045 treibhausgasneutral zu werden. Mit detaillierten Energieszenarien helfen Wissenschaftler:innen des Forschungszentrums Wege zu finden, die zu diesem Ziel führen und den bestmöglichen Pfad zu identifizieren. „Ich wünsche mir, dass unsere Szenarien den Entscheidungsträger:innen eine wissenschaftlich fundierte Unterstützung liefern und so zum Gelingen der Energiewende beitragen“, sagt Prof. Heidi Heinrichs, Leiterin der Abteilung Ressourcenstrategien an der Jülicher Systemanalyse (ICE-2).
Die Jülicher Studien beruhen u. a. auf bereits bestehenden Kontext‑Szenarien – etwa Bevölkerungs- und Wirtschaftsprognosen oder gesellschaftlichen Rahmenbedingungen – und werden mithilfe der eigens entwickelten Modell‑Suite ETHOS detailliert berechnet. In diesem „Modellbaukasten“ fließen Kennzahlen ein, wie etwa Kosten für Windkraftanlagen, Wasserstoffpipelines und Energiegroßspeicher. Und auch die Abhängigkeiten dieser Techniken untereinander werden berücksichtigt.
Expertise
Heidi Ursula Heinrichs
Alle diese Informationen wertet das Modell aus und es entsteht ein Strauß von Szenarien – jedes davon eine mögliche Zukunft, je nachdem welchen Weg das Modell einschlägt. Im Fall der treibhausgasneutralen Zukunft ging es darum, aus dem Strauß der Szenarien den Pfad herauszufiltern, der die geringsten Kosten verursacht.
„Unsere Szenariostudien zeigen: Wir können diese Transformation schaffen – sowohl technisch als auch wirtschaftlich“, sagt Dr. Theresa Klütz von der Jülicher Systemanalyse, Leiterin des Teams Sektorkopplung am ICE-2.
Die zentralen Erkenntnisse: Damit Deutschland klimaneutral werden kann, muss der Ausbau von Wind- und Solarenergie zügig voranschreiten. Das bestimmt auch, wie viel Wasserstoff importiert werden muss – und ob dieser allein aus europäischen Quellen kommen kann. Potenzial für Windkraft gibt es vor allem in Skandinavien und auf den britischen Inseln, für Solarenergie in Südeuropa. Voraussetzung ist jedoch, dass die EU-Länder eng zusammenarbeiten. Bleibt der Ausbau langsam oder stockt die Kooperation, steigen die Kosten – teure Importe aus Übersee wären nötig.
Auch Engpässe bei der Infrastruktur haben Folgen: Wenn etwa neue Stromtrassen von der Küste in den Süden fehlen, muss das anderweitig ausgeglichen werden – zum Beispiel durch zusätzliche Anlagen, die erneuerbaren Strom in Wasserstoff umwandeln und speichern. In Süddeutschland müsste dafür die Solarenergie noch stärker ausgebaut werden. Das alles würde deutlich mehr Geld kosten.
Wichtig ist: Szenarien sind keine Vorhersagen. Sie beruhen auf Annahmen und zeigen eine Bandbreite möglicher Entwicklungen. Unerwartete Ereignisse – wie der russische Angriffskrieg in der Ukraine – können die Rahmenbedingungen verändern. Während das Energiekonzept 2010 von sinkendem Stromverbrauch ausging, rechnen aktuelle Studien mit einer Verdopplung bis 2045. Der Vorteil der Szenarien: Sie lassen sich jederzeit neu berechnen, um alternative Wege zu prüfen und robuste Strategien für die Zukunft aufzuzeigen.