Kann man sich auf die Klimaforschung verlassen?

Behauptung: "Die bekannte Studie von Naomi Oreskes zum Konsens der Klimaforschung war falsch"

Behauptung: „Die Behauptung, es gebe einen Konsens [in der Wissenschaft zum Menschen als Haupt-Verursacher des gegenwärtigen Klimawandels], beruht fast ausschließlich auf einem kurzen, ungenauen und mittlerweile veralteten Kommentar der Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes im Journal Science. Eine Überprüfung durch Dr. Benny Peiser von der John Moores University in Liverpool ergab etliche Fehler und kam zu einem völlig anderen Ergebnis.“ Christopher Monckton


Fakt ist: Die Kritik an der vielzitierten Oreskes-Studie zum Forscherkonsens war unzutreffend
Antwort

Antwort: Nicht der Oreskes-Aufsatz von 2004 enthielt Fehler, sondern die Argumente dagegen waren falsch. Betrachtet man die Vorwürfe des Hauptkritikers Benny Peiser genauer, so zeigt sich, dass er Studien zur Klimaforschung falsch bewertet hat. Peiser selbst hat längst öffentlich eingeräumt, dass er falsch lag – doch seine angeblichen Argumente werden trotzdem noch immer wiederholt.

Im Dezember 2004 erschien in der Fachzeitschrift Science ein relativ knapp gehaltener Aufsatz mit dem Titel „Jenseits des Elfenbeinturms – Der wissenschaftliche Konsens zum Klimawandel“. Autorin war die Wissenschaftshistorikerin Naomi Oreskes, damals Professorin für Wissenschaftsgeschichte an der University of California in San Diego. Sie präsentierte in dem Text eine Auswertung von zehn Jahren Fachliteratur zur Klimaforschung – Ergebnis: Es gibt einen weitreichenden Konsens unter Klimaforscheninnen und Klimaforschern, dass der Mensch das Weltklima verändert.

Für ihre Untersuchung wertete Oreskes die Zusammenfassungen („Abstracts“) von wissenschaftlichen Studien aus, die zwischen 1993 und 2003 erschienen waren. Sie konzentrierte sich auf die begutachtete Fachliteratur, also Artikel, die gemäß den wissenschaftlichen Standards vor der Veröffentlichung von Fachkollegen gelesen und auf Fehler kontrolliert werden (sogenannte „Peer-Review-Literatur“). Oreskes durchsuchte dafür die Datenbank ISI Web of Sciencenach dem Schlagwort „globaler Klimawandel“. Daraus ergab sich eine Summe von 928 zu untersuchenden Aufsatz-Zusammenfassungen, die das betreffende Stichwort enthielten.

Oreskes fand keine einzige Studie, die dem Forschungskonsens widersprach, demzufolge der größte Teil der Erderwärmung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr wahrscheinlich durch menschliche Aktivitäten verursacht wurde. 75 Prozent der Fachaufsätze hätten den anthropogenen Klimawandel explizit erwähnt oder seien implizit von ihm ausgegangen, etwa weil sie dessen Folgen oder die Minderung von menschengemachten Treibhausgasen zum Thema hatten. Die restlichen 25 Prozent trafen laut Oreskes keine Aussage über den Konsens, der Schwerpunkt dieser Studien lag beispielsweise auf Forschungsmethoden oder paläoklimatischen Untersuchungen. Ausdrücklich gegen den Konsens habe keine einzige der 928 untersuchten Studien argumentiert. Oreskes’ Fazit lautete:

„Politiker, Ökonomen, Journalisten und andere mögen den Eindruck haben, es herrsche ein Durcheinander, Uneinigkeit oder gar Streit unter Klimaforschern – aber dieser Eindruck ist falsch. … Viele Details klimatischer Wechselwirkungen sind ungeklärt, und es gibt reichlich Gründe für weitere Forschung zum besseren Verständnis des Klimasystems. Auch ist die Frage noch offen, was gegen den Klimawandel zu tun ist. Aber es gibt einen wissenschaftlichen Konsens über die Realität des menschengemachten Klimawandels.“

Oreskes’ Untersuchung wurde von zahlreichen Medien aufgegriffen, auch Al Gore zitierte sie in seinem Film „Eine unbequeme Wahrheit“.

Doch schon wenige Wochen nach der Veröffentlichung wurde die Studie scharf angegriffen. Das wohl größte Aufsehen erregte die Kritik des deutsch-britischen Kulturwissenschaftlers Benny Peiser (damals Dozent an der John Moores University in Liverpool, seit 2009 Direktor der „Global Warming Policy Foundation“, einem britischen Verein, der Zweifel an der Klimaforschung verbreitet). In einem Brief an Science wies er Anfang 2005 auf einen tatsächlichen Fehler hin – Oreskes hatte in ihrem Aufsatz fälschlicherweise als verwendetes Suchwort „climate change“ genannt, korrekt war „global climate change“. Darüberhinaus behauptete er aber, bei einer Überprüfung der Oreskes-Studie zu ganz anderen Ergebnissen gekommen zu sein: Vor allem sei er in den rund tausend Veröffentlichungen auf 34 gestoßen, die den Forscher-Konsens sehr wohl ablehnten.

Doch eine genaue Analyse ergibt, dass Peiser verschiedene Fehler gemacht hat. Er verwendete zum Beispiel nicht dieselben Suchkriterien wie Oreskes (er bezog auch sozialwissenschaftliche Artikel in seine Suche ein, während sich Oreskes auf Fachaufsätze aus den Naturwissenschaften beschränkt hatte). Einige der von Peiser genannten Texte waren zudem keine begutachteten Forschungsartikel, sondern Rezensionen, Kommentare oder Leserbriefe. Und die meisten der 34 von Oreskes angeblich falsch bewerteten Veröffentlichungen lehnten den Forschungskonsens in Wahrheit gar nicht ab.

Nach der Kritik an seiner Kritik ruderte Peiser denn auch zurück, im Jahr 2006 erklärte er beispielsweise gegenüber der Sendung MediaWatch des australischen Fernsehsenders ABC:

„Einige der 34 Abstracts, die ich als ‚ablehnend’ [gegenüber dem Forscherkonsens] einstufte, … hätten besser nicht so eingestuft werden sollen. … Daher habe ich diesen Punkt meiner Kritik öffentlich zurückgenommen.“

Dessen ungeachtet wird Peisers Kritik an Oreskes von vielen Leuten, die den Forschungskonsens nicht wahrhaben wollen, immer wieder aufs Neue wiederholt. Der wohl populärste Peiser-Apologet ist Christopher Monckton, ein britischer Journalist und zeitweilig führendes Mitglied der rechtspopulistischen Unabhängigkeitspartei (UKIP). In einer Broschüre des klimawissenschaftsfeindlichen US-Think Tanks Science and Public Policy Institute (SPPI) nennt Monckton (wie zuvor Peiser) fünf Studien als „Beispiele“ für fälschlicherweise von Oreskes eingestufte Veröffentlichungen – doch falsch liegt nicht Oreskes, sondern Monckton:

1. Ammann et al. 2003 – „Multi-resolution time series analysis applied to solar irradiance and climate reconstructions“ 
Monckton behauptet, die Studie liefere „Belege für enge Zusammenhänge zwischen solaren Schwankungen und dem Klima an der Erdoberfläche“. Dabei verschweigt er, dass die verwendeten Temperaturrekonstruktionen Mitte des 20. Jahrhunderts enden – also vor Beginn des aktuellen globalen Erwärmungstrends. Die Studie sagt somit gar nichts über den Forscherkonsens aus, der sich auf den Klimawandel der letzten rund 50 Jahre bezieht. Zudem gibt es eine spätere Studie desselben Autoren zu aktuelleren Temperaturdaten, die explizit den Forscherkonsens stützt; dort heißt es nämlich: „Während Sonnen- und Vulkanaktivitäten größtenteils für die langsamen Klimaänderungen der letzten tausend Jahre verantwortlich zu sein scheinen, dominiert seit Mitte des 20. Jahrhunderts aber der Einfluss von Treibhausgasen“ (Ammann et al. 2007).

2. Reid 1997 – „Solar Forcing of Global Climate Change Since The Mid-17th Century“ 
Monckton zitiert aus dem Abstract, dass „die Bedeutung solarer Schwankungen als Klimafaktor während der letzten Dekaden möglicherweise unterschätzt worden“ sei. Das Zitat ist korrekt – aber die Schlussfolgerung, der Autor bestreite den Forscherkonsens, ist falsch. Das zeigt spätestens eine Lektüre des vollständigen Studientextes. Der beschreibt auf Basis einer Korrelationsanalyse von Daten aus dem Zeitraum von 1617 bis 1990 einen relativ engen Zusammenhang zwischen Sonnenvariabilität und Klimaveränderungen auf der Erde. Die Sonne sei bis etwa 1850 der dominierende Klimafaktor gewesen, schreibt der Autor, um dann festzustellen: „Aber seit dieser Zeit gibt es einen zunehmenden Einfluss von menschengemachten Treibhausgasen.“ Für die Zeit zwischen 1900 und 1955 hätten Sonne und Mensch ungefähr zu gleichen Teilen zur Erderwärmung beigetragen, bis 1980 habe es dann eine (damals noch ungeklärte) mehrjährige Unterbrechung der Korrelation gegeben, aber der steile Anstieg nach 1980 „ist klar dominiert durch den [menschenverstärkten] Treibhauseffekt“. Bei genauer Betrachtung bestreitet die Studie den Konsens also nicht, sondern stützt ihn explizit. Die Aussage im Abstract, solare Schwankungen seien „möglicherweise unterschätzt worden“, bezieht sich auf eine graduelle Korrektur: Der Einfluss der Sonne sei vielleicht etwas stärker als zuvor gedacht, aber noch lange nicht der dominierende Faktor bei der gegenwärtigen Erderwärmung.

3. Kondratyev/Varotsos 1995 – „Atmospheric Greenhouse-Effect in the Context of Global Climate-Change“ 
Dieser Abstract spricht zwar tatsächlich von einem „unzweifelhaft überbetonten Beitrag des Treibhaus-Effekts auf den globalen Klimawandel“ und scheint damit den Forscherkonsens zu bestreiten – doch steht später im Abstract, es hätte sich gezeigt, dass „mehr Beobachtungen und weitere Anstrengungen bei der numerischen Modellierung notwendig sind, um die Beiträge der verschiedenen Mechanismen zur beobachteten Klimaänderung verlässlich abschätzen zu können“. Unter „Überbetonung“ der Bedeutung des Treibhauseffektes ist also nicht eine „Überschätzung“ des Treibhauseffektes, sondern vor allem die fehlende Herausstreichung der vorhandenen Unsicherheiten gemeint. Dabei muss jedoch der Zeitpunkt der Entstehung des Artikels (1994 vom Journal zur Veröffentlichung akzeptiert) beachtet werden: Auch der IPCC sprach noch in seinem Zweiten Sachstandsbericht von 1995erst von „Hinweisen auf einen erkennbaren menschlichen Einfluss auf das Klima“ (S. 4) und betonte, dass „viele Faktoren unsere Möglichkeiten, die zukünftige Klimaänderung zu erkennen und vorauszusagen, limitieren“ (S. 7). Im übrigen ist diese Veröffentlichung keine Studie im engeren Sinne, sondern ein „Review“, der nicht eigene wissenschaftliche Ergebnisse vorlegte, sondern lediglich andere besprach und bewertete. Aufsätze dieser Art aber hatte Oreskes bei Ihrer Untersuchung ausdrücklich außen vor gelassen (im Gegensatz zu Peiser bei seiner abweichenden Recherche in der Web-of-Science-Datenbank).

4. Gerhard/Hanson 2000 – „Ad Hoc Committee on Global Climate Issues: Annual Report“ 
Dies ist die erste Veröffentlichung in Peisers bzw. Moncktons Liste, die wirklich den Forschungskonsens seiner Zeit zurückweist, weil sie von einem „bislang nicht erkennbaren menschlichen Einfluss auf das globale Klima“ spricht. Doch handelt es sich hier lediglich um den Jahresbericht eines Komitees des US-amerikanischen Verbandes der Erdöl-Geologen (AAPG), und nicht um einen echten Forschungsartikel, der neue wissenschaftliche Ergebnisse vorlegt und das Peer-Review-Verfahren durchlaufen hat.

5. Fernau et al. 1993 – „Review and impacts of climate change uncertainties“ 
Dieser Artikel befasst sich hauptsächlich mit den Unsicherheiten bezüglich des Klimawandels, und deren Existenz ist in der Wissenschaft unbestritten. Jedoch heißt es in den Schlussfolgerungen des Artikels unter anderem, diesen Unsicherheiten gegenüber stehe “die Sicherheit, dass die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre ansteigt und die Emissionen von Treibhausgasen weiter wachsen. Dass diese zusätzlichen Treibhausgaseeinen Strahlungsantrieb erzeugen, ist wissenschaftlich gut etabliert.“ Der Artikel stellt also keineswegs den Konsens des anthropogenen Klimaeinflusses in Frage – er konstatiert aber, dass „unser gegenwärtiges Wissen über das komplexe Klimasystem leider für eine genaue Vorhersage der Klimaänderung unzureichend ist“. Doch auch diese Einschätzung entsprach, wenn man das Erscheinungsjahr 1993 berücksichtigt, durchaus dem damaligen wissenschaftlichen Konsens (siehe oben).

Die Belege für die Behauptung, es gebe Fehler in der Untersuchung von Naomi Oreskes aus dem Jahr 2004, halten also einer genauen Betrachtung nicht stand.

Im Gegenteil ist seitdem vielfach bestätigt worden, dass es einen wissenschaftlichen Konsens über die Grundfrage des menschengemachten Klimawandels gibt; er ist in Studien auf rund 97 Prozent oder mehr beziffert worden. Besonders umfassend hat der US-Geologe James Powell den wissenschaftlichen Konsens untersucht – in mehreren Studien analysierte er Zehntausende von Fachveröffentlichungen zum Klimawandel. Für den Zeitraum von 1991 bis 2012 zum Beispiel kam er zu dem Ergebnis dass von 33.700 wissenschaftlichen Autoren lediglich 34 den Konsens bestritten. Eine überwältigende Mehrheit von 99,9 Prozent dieser Wissenschaftler ist demnach der Überzeugung, dass der Mensch für den beschleunigten Klimawandel hauptverantwortlich ist.

Abbildung 1: Der Forscherkonsens ist extrem breit – nur ein Tausendstel der Autoren, die zwischen 1991 und 2012 Forschungsaufsätze zum Thema in Fachjournalen veröffentlichten, zweifelt am menschlichen Einfluss auf das Klima; Quelle: Powell 2012

In weiteren Analysen bestätigte Powell diese Größenordnung (Powell 2016Powell 2017Powell 2019), in der letztgenannten kommt er sogar auf einen Konsens von hundert Prozent. Auf Powells Ergebnisse verwies auch die deutsche Bundesregierung im August 2019 in einer Antwort auf eine Bundestagsanfrage (BT-DS 19/12631).

John Cook/klimafakten.de, Mai 2013;
aktualisiert: August 2021