Ist der Klimawandel wirklich (so) schlimm?

Behauptung: „Die Erderwärmung wird Sibirien zur neuen Kornkammer machen“

„Dank eines milderen Klimas kann bald in Gegenden Ackerbau betrieben werden, die heute noch viel zu kalt sind dafür. Sibirien zum Beispiel wird bis Ende des Jahrhunderts fruchtbares Land sein.“


Fakt ist: Zwar dürfte in manchen Regionen, etwa Sibirien, die Landwirtschaft vom Klimawandel profitieren – doch weltweit und langfristig überwiegen negative Folgen
Antwort

Antwort: Der Klimawandel wirkt sich in unterschiedlichen Regionen der Welt sehr unterschiedlich aus.  Es wird deshalb zweifellos Gegenden geben, in denen sich die Bedingungen für die Landwirtschaft verbessern. Doch in vielen anderen Regionen wird es sehr viel schwieriger, Nahrungsmittel zu produzieren: Mehr Dürren, häufigere Wetterextreme u.a. begleiten die Erderwärmung. Für den Maisanbau im westlichen Afrika zum Beispiel erwarten Forscher deshalb Ertragseinbußen von 20 bis 40 Prozent. Selbst wenn der Klimawandel in Sibirien tatsächlich bessere Ernten bringen sollte, haben Hungernde in Afrika wenig davon. Insgesamt, so die Warnung der Wissenschaft, ist der Klimawandel eine sehr ernste Bedrohung für die Nahrungsmittelversorgung der Menschheit.  Und diese Bedrohung berührt überproportional jene Länder und Bevölkerungsschichten, die schon heute mit Unterernährung zu kämpfen haben.

Auf der Erde gibt es heute zahlreiche Regionen, die zu kalt sind beispielsweise für Ackerbau. Steigende Temperaturen können in manchen Gegenden deshalb die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft verbessern. Doch es wäre verkehrt, nur auf diese Regionen zu schauen. Die entscheidende Frage ist, wie die weltweite Gesamtbilanz aussehen wird – also unter Einbeziehung der Gegenden, in denen die Lebensmittelproduktion voraussichtlich sinken wird. Und welche Entwicklung in Gegenden zu erwarten ist, in denen bereits heute Menschen hungern.

Die Vertreter der These, Sibirien werde in einer wärmeren Welt zur Kornkammer, berufen sich häufig auf die Studie eines Forschungsteams aus Russland und den USA (Tchebakova et al. 2011). Es untersuchte anhand mehrerer Modellrechnungen und Szenarien mögliche Klimaentwicklungen für die sibirische Region Krasnojarsk und die zwei südlich angrenzenden Republiken Chakassien und Tuwa bis etwa zum Jahr 2080. Der größte Teil des Gebietes ist heute zu kalt für den Anbau von Ackerpflanzen wie Weizen, Hafer, Mais, Reis oder Zuckerrüben. Bereits seit 1960 habe es, so die Studie, eine deutliche Erwärmung gegeben. Und diese Entwicklung werde weitergehen. Für die Landwirtschaft wäre das vorteilhaft, so die Schlussfolgerung:

„Bis Ende des Jahrhunderts werden voraussichtlich 50 bis 85 Prozent Zentralsibiriens landwirtschaftlich nutzbar geworden sein … Im Zuge der Klimaerwärmung könnte sich die Produktion von Kulturpflanzen im Laufe des Jahrhunderts verdoppeln. Traditionelle Feldfrüchte wie Getreide, Kartoffeln, Silagemais könnten nach und nach bis zu 500 Kilometer nordwärts wandern (etwa 50 bis 70 Kilometer pro Jahrzehnt), und im Süden des Gebiets könnten neue Kulturen (Getreidemais, Aprikosen, Weintrauben, Kürbisse) eingeführt werden, abhängig vom künftigen Winterwetter und den Möglichkeiten zu künstlicher Bewässerung im trockeneren Klima von 2080. Die Landwirtschaft in Zentralsibirien wird wahrscheinlich durch die Klimaerwärmung begünstigt.“ 
(Tchebakova et al. 2011)

In diesen – positiv wirkenden – Ergebnissen klingen aber auch schon zwei grundsätzlich wichtige Aspekte an, die sich mit der gesamten Forschung zum Thema decken: Zwar werden sich erstens im Zuge des Klimawandels wohl die Anbauflächen traditioneller landwirtschaftlicher Produkte temperaturbedingt polwärts schieben, auf der Nordhalbkugel also nach Norden. Im Gegenzug wird es aber Richtung Äquator meist heißer, Niederschläge werden unregelmäßiger und Dürren extremer – beides wird der Landwirtschaft dort Probleme bereiten. Zweitens ist unklar, wie gut die Ernten in den neu gewonnenen Gebieten ausfallen werden. Die Temperatur ist nämlich nur einer von vielen Faktoren, die über die mögliche landwirtschaftliche Nutzung von Böden entscheiden.

Neben der Erwärmung müssen also unbedingt auch andere Faktoren betrachtet werden – ein ganz wesentlicher ist beispielsweise die Bodenqualität. Auch hierzu sagt die Sibirien-Studie von Tchebakowa et al. etwas Wichtiges. Doch dazu später.

Wie beeinflusst der Klimawandel die Landwirtschaft?

Der Sechste Sachstandsbericht des IPCC, der 2021/22 den aktuellen Stand der weltweiten Klimaforschung zusammengetragen hat,  befasst sich ausführlich auch mit den Folgen der Erderwärmung für Landwirtschaft, Wälder und Fischerei. Ein fast 200-seitiges Kapitel (Kapitel 5 von Band 2) ist diesem Thema gewidmet (außerdem zahlreiche Passagen in anderen Kapiteln, etwa jenen zu Klimafolgen in EuropaAfrikaAsienAustralasienkleinen InselstaatenNordamerika sowie zu Mittel- und Südamerika).

In dem Kapitel wird detailliert die Vielzahl der Auswirkungen beschrieben, die der Klimawandel für den Ackerbau haben kann – und die bei einer seriösen Gesamtabschätzung der Klimafolgen zu berücksichtigen sind. Beispielsweise geht mit der Erderwärmung vielerorts ein Wassermangel einher, was für die Landwirtschaft bekanntlich ein großes Problem sein kann. Daneben gibt es eine ganze Reihe von physiologischen Folgen für Pflanzen: So führt ein Anstieg der Temperaturen in der Regel dazu, dass sich Reifezeiten verkürzen. Hohe Temperaturen während der Blütezeit können zu verkleinerten Fruchtansätzen führen. Für Weizen zum Beispiel wurde beobachtet, dass bei Temperaturen über 30 °C der Pollen steril wird (Bita/Gerats 2013de Storme/Geelen 2013Akter/Islam 2017Mamrutha et al. 2020).

Damit nicht genug. Neben den direkten Auswirkungen einer Erwärmung auf Pflanzen sind viele weitere Aspekte zu beachten. So wird der Klimawandel in etlichen Regionen dazu führen, dass Wetterextreme häufiger und intensiver werden – und es ist klar, dass Dürren und Hitzewellen, Starkregengüsse und Hagelschauer schwerwiegende Folgen für die Landwirtschaft haben. Auch werden sich die Verbreitungsgebiete von Pflanzenkrankheiten oder Schadinsekten verändern. Nicht zuletzt schadet bodennahes Ozon, das mit höheren Temperturen ebenfalls zunimmt, den Pflanzen zusätzlich.

Andererseits hat die Erderwärmung bzw. dessen Ursache, also der höhere Gehalt von Kohlendioxid in der Atmosphäre, auch eine positive Folge: Er regt die Photosynthese an, Fachleute sprechen hier vom „CO2-Düngeeffekt“. Dieser ist bei manchen Pflanzen (sogenannten C3-Pflanzen wie Weizen, Reis, Soja) stärker als bei anderen (sogenannten C4-Pflanzen wie Mais, Hirse oder Zuckerrohr). In der Praxis wird dieser Düngeeffekt allerdings durch Wassermangel oder Hitzeextreme begrenzt – Erscheinungen, wie sie just infolge des Klimawandels vielerorts erwartet werden.

Schon heute überwiegen die negativen Folgen

Erste Auswirkungen des Klimawandels für die Landwirtschaft sind schon heute spürbar (siehe Abbildung 1). In Schottland beispielsweise trug die Erderwärmung in den vergangenen Jahrzehnten zu höheren Erträgen beim Kartoffelanbau bei (Gregory/Marshall 2012). An vielen anderen Orten aber sind die Folgen negativ. Weltweit sind laut einer vielzitierten Untersuchung (Lobell et al. 2011) wegen des Klimawandels seit 1980 die Ernten bei Mais und Weizen um 3,8 bzw. 5,5 Prozent niedriger ausgefallen, als ohne Erwärmung zu erwarten gewesen wäre (bei Reis und Soja haben sich bisher Gewinne und Verluste global ungefähr ausgeglichen). Das Fazit dieser Studie lautete:

„Die Klimatrends [seit 1980] waren in einigen Ländern stark genug, um einen wesentlichen Teil der Erntezuwächse zunichte zu machen, die durch technologische Fortschritte, CO2-Düngeeffekten und andere Faktoren erreicht wurden.“

Im Klartext: Der Klimawandel hat in der Vergangenheit einen wesentlichen Teil jener Erntezuwächse aufgefressen, die durch technischen Fortschritt erreicht werden konnten, beispielsweise neue Sorten oder bessere Bewässerung. Daraus kann man schließen, dass künftig – also bei weiter fortschreitender Erderwärmung – selbst eine stabile Versorgung (geschweige denn Verbesserungen) permanente technische Weiterentwicklungen erfordern.

Abbildung 1: IPCC-Übersicht zu Studien, in denen bereits beobachtbare Folgen des Klimawandels auf die Ertragskraft von Nutzpflanzen untersucht wurden – aufgeschlüsselt nach Regionen und Ackerkulturen. Ein Plus steht für zunehmende Produktivität, ein Minus für abnehmende, ein Karo für gemischte Folgen, das Kürzel "na" bedeutet "nicht abgeschätzt". Dein Einfärbung zeigt an, wie verlässlich jeweils die Studienlage ist – je dunkler, desto größer die Gewissheit des Befundes. Berücksichtigt wurden mehr als 150 Studien, die seit dem Erscheinen des Fünften IPCC-Sachstandsbericht 2013/14 publiziert wurden, häufig aber erstreckten sich die Untersuchungszeiträume noch weiter zurück. Fazit: Auch wenn an einzelnen Stellen Plus-Zeichen oder Karos stehen, es also bei einzelnen Ackerkulturen oder in manchen Weltgegenden auch höhere Erträge gab, ist die Bilanz insgesamt meist negativ – sowohl bei der Gesamtbetrachtung je Region (ganz rechte Spalte) als auch je Nutzpflanze bzw. Nutzpflanzen-Kategorie (unterste Zeile); Quelle: IPCC 2022, AR6, Band 2, Kapitel 5, Abbildung 5.3

Noch deutlicher sind bereits die Folgen erhöhter Ozon-Werte (IPCC 2022, AR6, Band 2, Kapitel 5.4.1.4). Ohne diese menschengemachte Atmosphärenveränderung würden einer Modell-Analyse zufolge jedes Jahr die globalen Erträge für Soja um zwölf Prozent, für Weizen um sieben Prozent, für Mais um sechs Prozent und für Reis um vier Prozent höher liegen (Mills et al., 2018).

Besonders offensichtlich sind zudem die Auswirkungen von Wetterextremen, die durch den Klimawandel verstärkt werden: So verursachte die Rekordhitze im Sommer 2003 in West- und Mitteleuropa einen Rückgang der Getreideproduktion um rund 20 Prozent (Ciais et al. 2005), und die Hitzewelle in Russland 2010 ließ die Getreideernten um ein Viertel einbrechen (Otto et al. 2012). In den 50 Jahren zwischen 1964 und 2015 hat sich allein in Europa der Ernte-Schaden durch Hitzewellen und Dürren verdreifacht (Brás et al., 2021).

Welche Folgen sind für Landwirtschaft künftig zu erwarten?

In einigen Gegenden also hat die Landwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten vom Klimawandel profitiert – und das dürfte auch künftig gelten, jedenfalls wenn der Temperaturanstieg nicht allzu stark ausfällt. Der Sechste IPCC-Sachstandsbericht nennt als Regionen mit Zuwächsen etwa Nordeuropa bei Weizen oder Ostasien Weizen und Reis (IPCC 2022, AR6, Band 2, Kapitel 5.4.1.1).

Doch wie sieht das Gesamtbild der künftigen Entwicklung aus?

Das ist erstens von einer starken Zunahme des weltweiten Nahrungsmittelbedarfs geprägt, Gründe sind vor allem die weiter wachsende Weltbevölkerung und ein global zunehmender Konsum von Fleisch (FAO 2018). Zweitens herrschen bereits heute in etlichen Weltgegenden, vor allem in den Entwicklungsländern, Hunger und Unterernährung – oder fachsprachlich formuliert „Ernährungsunsicherheit“ (engl.: „food insecurity“). Diese Länder liegen überwiegend in den Tropen. Und auch in diesen bereits heute heißen Gegenden wird der Klimawandel zu einer weiteren Erwärmung führen. Zugleich haben die Entwicklungsländer die geringsten Ressourcen, sich und ihre Landwirtschaft auf ein änderndes Klima einzustellen. Bereits in der Vergangenheit war die Ernährungsunsicherheit am größten im südlichen Afrika und in Südasien, vermerkte der Fünfte IPCC-Sachstandsbericht (IPCC 2014, AR5, Band 2, Kapitel 7.1.2):

„Die Lebensmittelversorgung in Entwicklungsländern basiert stark auf klima-abhängiger Landwirtschaft [beispielsweise solcher ohne künstliche Bewässerung]. Insbesondere in Verbindung mit Armut und Bevölkerungswachstum sind diese Staaten verwundbar durch den Klimawandel.“

Der Sechste Sachstandsbericht fasste den Forschungsstand mit den Worten zusammen (IPCC 2022, AR6, Band 2, Kapitel 5, Executive Summary):

"Die Folgen [des Klimawandels] auf Lebensmittelverfügbarkeit und -qualität werden die Zahl jener Menschen steigen lassen, die durch Hunger, Unterernährung und ernährungsbedingter Sterblichkeit gefährdet sind (hohe Gewissheit). Mitte des Jahrhunderts werden wegen des Klimawandels mehr Menschen dem Risiko von Hunger ausgesetzt sein, vor allem in Afrika südlich der Sahara, in Südasien und in Mittelamerika (hohe Gewissheit)."

Man darf man also keinesfalls nur auf die Gewinnersregionen des Klimawandels blicken, sondern sollte insbesondere auch die Verlierergegenden betrachten – so wie es im Folgenden beispielhaft für Afrika und Asien geschieht. Weltweit müsse bis 2050 durch die verschlechterte Nahrungsmittelversorgung infolge des Klimawandels, so eine Studie im Medizin-Journal The Lancet, mit rund 500.000 zusätzlichen Todesfällen gerechnet werden (Springmann et al. 2016).

Afrika

Zahlreiche Studien haben unabhängig voneinander ergeben, dass in Afrika infolge der Erderwärmung mit drastischen Ernteeinbußen zu rechnen ist. Schlenker/Lobell 2010 zum Beispiel bezifferten die Verluste in den Regionen südlich der Sahara bis Mitte des Jahrhunderts etwa für Mais auf 22 Prozent und für Hirse auf 17 Prozent. Es ist damit zu rechnen, dass der Klimawandel Ernteverluste durch Schädlinge begünstigt. Für Mais, Reis oder Weizen könnten die Verluste allein hierdurch bei 10 bis 25 Prozent pro Grad Erwärmung liegen (Deutsch et al. 2018), sollte sich die Erde um zwei Grad Celsius erwärmen, was angesichts der aktuellen Treibhausgasemissionen in den kommenden Jahrzehnten mehr als wahrscheinlich ist. Zudem dürfte der Klimawandel die jährlichen Schwankungen zwischen den Ernten verstärken (selbst bei moderaten Durchschnittswerten für Ertragseinbußen ist daher mit miserablen Einzeljahren zu rechnen); hierdurch wird es für landwirtschaftliche Betriebe besonders schwierig, von einem Jahr ins nächste zu überleben. Für die Nahrungsmittelsicherheit kann das schwerwiegende Folgen haben.

Überblicksstudien, in denen die Resultate solcher Einzeluntersuchungen zusammengetragen wurden, sagen in großer Übereinstimmung einen negativen Effekt des Klimawandels auf die Lebensmittelversorgung in Afrika voraus. So ist auch das Fazit des IPCC im Afrika-Regionalkapitel seines Sechsten Sachstandsberichts eindeutig (IPCC 2022, AR6, Band 2, Kapitel 9, Executive Summary):

„Die künftige Erwärmung wird sich negativ auf die Nahrungsmittelversorgung in Afrika auswirken, da sich die Vegetationsperioden verkürzen und der Wassermangel zunimmt (hohe Gewissheit). Bei einer globalen Erwärmung von 1,5°C werden die Erträge von Oliven (Nordafrika) und Sorghum (Westafrika) voraussichtlich zurückgehen, während die geeigneten Flächen für Kaffee und Tee (Ostafrika) abnehmen werden. Zwar mögen Ertragsrückgänge bei einigen Kulturpflanzen teilweise durch steigende atmosphärische CO2-Konzentrationen ausgeglichen werden, doch eine globale Erwärmung über 2 °C wird in den meisten Teilen Afrikas zu Ertragseinbußen bei Grundnahrungsmitteln im Vergleich zu den Erträgen von 2005 führen (z. B. Rückgang der Maiserträge in Westafrika um 20 bis 40 Prozent), selbst wenn man Anpassung und steigende CO2-Konzentrationen berücksichtigt (mittlere Gewissheit). Im Vergleich zu 1986-2005 würde eine globale Erwärmung von 3°C die Arbeitskapazität in der Landwirtschaft in Afrika südlich der Saharavoraussichtlich um 30 bis 50 Prozent verringern.“

Asien

Etwas weniger negativ fallen die Befunde für Asien aus. Auch dort erwartet die Forschung vielerorts deutliche Einbußen. Allerdings gibt es in Asien mehr Regionen als in Afrika, in denen die Landwirtschaft auch vom Klimawandel profitieren dürfte. In einer ganzseitigen Infografik hat der IPCC in seinem Sechsten Sachstandsbericht die bekannten Auswirkungen für die wichtigsten asiatischen Regionen zusammengestellt (IPCC 2022, AR6, Band 2, Kapitel 10, Figure 10.6). In China beispielsweise wird in manchen Gegenden mit schlechteren, in anderen mit besseren Getreideernten gerechnet, dies hängt vor allem von der Verschiebung der Regenfälle ab und weniger von den Temperaturen. Insgesamt ist das Bild in China gemischt, dort werden selbst für ein- und dieselben Regionen sowohl positive wie auch negative Wirkungen erwartet – zum Beispiel für die Maisernte. In der Mongolei dürfte die Weizenernte mit steigenden Temperaturen zunehmen.

Dagegen wird sich in West-Asien der ohnehin schon bestehende Wassermangel verstärken. Schon seit 2016 hat zum Beispiel Saudi-Arabien, seine eigene Weizenproduktion heruntergefahren, um Wasserressourcen zu schonen – und ist deshalb nun vollständig von Importen abhängig (Al-Zahrani et al 2018). Als einen künftigen Brennpunkt nennt der IPCC zudem Süd- und Südostasien, weil die Region als ähnlich verwundbar für den Klimawandel gilt wie Afrika und dort ebenfalls viele Menschen leben, die bereits heute unter Ernährungsunsicherheit leiden (IPCC 2022, AR6, Band 2, Kapitel 10.4.5.3). Zum Beispiel in IndienPakistanund Sri Lanka ist mit deutlichen Ernterückgängen und daraus resultierenden Preissprüngen bei Reis zu rechnen.

Wichtige Treiber dieser Entwicklungen sind Veränderungen der Temperaturen und des Niederschlags. Doch es gibt weitere Gründe, so sind beispielsweise die Mega-Deltas in VietnamBangladesch und Myanmar vom Meeresspiegelanstieg bedroht oder die Ganges-Ebene in Nordindien vom Wassermangel infolge des Gletscherschwundes im Himalaja. Außerdem werden einige Regionen, etwa die Philippinen, regelmäßig von Wirbelstürmen getroffen, die mit dem Klimawandel ebenfalls größeren Schaden anrichten dürften.

Für den gesamten Kontinent fasst der Weltklimarat zusammen (IPCC 2022, AR6, Band 2, Kapitel 10.4.5):

„Trotz des beobachteten Anstiegs der Nahrungsmittelproduktion in Asien […] von 1990 bis 2014 besteht große Gewissheit, dass auf regionaler Ebene die prognostizierten negativen Folgen die erwarteten Vorteile bei weitem überwiegen werden, wobei sich Indien als das am stärksten verwundbare Land in Bezug auf die Pflanzenproduktion erweist. Jüngste Erkenntnisse deuten auch darauf hin, dass sich die klimabedingten Risiken für die Landwirtschaft und die Ernährungssicherheit in Asien zunehmend verschärfen werden, wenn die globale Erwärmung 1,5 °C und mehr über dem vorindustriellen Niveau liegt, mit jeweils unterschiedlichen Auswirkungen auf den asiatischen Kontinent.“

Warum passt sich die Landwirtschaft nicht dem veränderten Klima an?

Natürlich, die Landwirtschaft kann sich anpassen: Bauern und Bäuerinnen können zu Beispiel versuchen, auf Pflanzen umsteigen, die voraussichtlich im neuen Klima besser zurechtkommen. Sie können den Zeitraum etwa der Aussaat verschieben, um Pflanzen in besonders empfindlichen Phasen vor Hitze zu schützen. Und sie können Bewässern, wenn es nicht regnet. Doch alle Anpassungsmöglichkeiten haben Grenzen; und gegen das häufigere Auftreten von Extremwetterereignissen wie Stürme, Dürren oder Fluten sind Anpassungsmaßnahmen von Landwirten sowieso nur begrenzt hilfreich. Der IPCC stellt in seinem Sechsten Sachstandsbericht zu diesem Thema fest (IPCC 2022, AR6, Band 2, Kapitel 5, Executive Summary):

„Umgesetzte Anpassungsmaßnahmen im Pflanzenbau werden nicht ausreichen, um die negativen Auswirkungen des Klimawandels auszugleichen (hohe Gewissheit). Die derzeit verfügbaren Handlungsoptionen haben das Potenzial, die weltweiten Verluste in der pflanzlichen Produktion aufgrund des Klimawandels bis zu einer Erwärmung von rund 2 °C auszugleichen, aber die negativen Folgen werden selbst mit Anpassungsmaßnahmen ab Mitte des Jahrhunderts bei Szenarien mit hohem Temperaturanstieg erheblich zunehmen (hohe Gewissheit). Regional werden sich die negativen Auswirkungen dort, wo die Temperaturen wie in den niederen Breitengraden bereits höher sind, früher bemerkbar machen (hohe Gewissheit).“

Im Bereich der Land- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei haben sich öffentliche Anpassungs-Investitionen seit 2010 bereits vervierfacht, so der IPCCweiter. Doch werden die Summen, die nötig sind für eine Anpassung an das künftige Klima, deutlich steigen. Gerade in den ärmsten Regionen der Welt jedoch, wo Anpassungsmaßnahmen am dringendsten sein werden, fehlt es sowohl den Regierungen als auch den einzelnen Bäuerinnen und Bauern an Ressourcen dafür (Hertel/Lobell 2008).

Im seinem Fünften Sachstandsbericht hatte der IPCC zum Thema geschrieben (IPCC 2014, AR5, Band 2, Kapitel 7, Executive Summary):

„Im Durchschnitt verbessert ein angepasster Ackerbau die Ernten um einen Betrag, der etwa 15 bis 18 Prozent der heutigen Ernten entspricht. Allerdings ist der Effekt hochvariabel - die Spanne reicht von möglicherweise negativ über vernachlässigbar bis hin zu sehr substanziell positiv. Der erwartete Nutzen von Anpassungsmaßnahmen ist in gemäßigten Breiten größer als in den Tropen.“

Bis zu einem Anstieg von rund zwei Grad Celsius (der lokalen Temperatur, nicht des weltweiten Durchschnitts) gebe es noch relativ gute Anpassungsmöglichkeiten für die Landwirtschaft. Bei örtlichen Temperaturanstiegen von vier Grad Celsius hingegen könnten Anpassungsmaßnahmen die Ernteeinbußen vielerorts kaum noch ausgleichen. Solche Erwärmungsraten seien deshalb „sehr signifikante Risiken und Herausforderungen für die Ernährungssicherheit“. Je weiter das Jahrhundert fortschreitet, desto negativer folglich die Aussichten (IPCC 2014, AR5, Band 2, Kapitel 7.4.1):

„Ab den 2030er Jahren ist es wahrscheinlich [d.h. in der Terminologie des IPCC: 66- bis 100-prozentig sicher], dass es [in der weltweiten Gesamtbetrachtung] Ernteverluste gibt. Ab den 2050er Jahren wird es ebenso wahrscheinlich wie nicht [d.h. 33- bis 66-prozentig sicher], dass die Einbußen mehr als fünf Prozent betragen. Ab den 2080er Jahren ist es sehr wahrscheinlich [d.h. 90- bis 100-prozentig sicher], dass in den Tropen Ernteverluste zu verzeichnen sind – und zwar unabhängig von Anpassungsmaßnahmen.“

Abbildung 2: IPCC-Übersicht zu Studien, in denen die Folgen des Klimawandels auf die Ernten in zahlreichen Regionen (tropisch und gemäßigt), für verschiedene Emissionsszenarien sowie für den Fall erfolgter wie auch nicht erfolgter Anpassungsmaßnahmen untersucht wurden. Dargestellt sind die erwarteten Veränderungen der Erträge für kommende Zwanzigjahresperioden. Für den Zeitraum 2010 bis 2029 (Balken ganz links) halten sich projizierte Erntezuwächse (blaue Farbtöne) und Ernteverluste (Orangetöne) noch fast die Waage. Zum Ende des Jahrhunderts (Balken ganz rechts) polarisiert sich mit fortschreitendem Klimawandel das Bild. Leichte Veränderungen (helle Farbtöne) sind nun verschwunden, einige Studien für bestimmte Gegenden ergeben weiterhin Erntezuwächse (blaue Töne), aber die weit überwiegende Zahl der Einzelstudien rechnet mit – teils dramatischen – Ertragseinbußen (Orangetöne). Für Erwärmungsszenarien von vier Grad Celsius oder mehr lagen relativ wenige Schätzungen vor; Quelle: IPCC 2014, AR5, WG2, Kap.7, Abb.5

Im Sechsten Sachstandsbericht von 2021/22 warnt der Weltklimarat ausdrücklich vor undurchdachter Anpassung. Dies können Maßnahmen sein, die zwar für eine gewisse Zeit Abhilfe schaffen, langfristig aber die Situation verschlimmern. Oder solche, die bestimmte Regionen oder Bevölkerungsgruppen nur verwundbarer machen. Dazu nennt der IPCC etwa fehlgeleitete Bewässerungsprojekte in der Landwirtschaft, die zwar die Erträge erhöhen können, jedoch zum Beispiel auf lange Sicht das Grundwasser schädigen oder ausgerechnet den schwächsten Menschen in verwundbaren Regionen schaden, weil kleinere Landwirt:innen sich derartige Systeme nicht leisten können oder manche Bevölkerungsgruppen ihren Zugang zu Wasser verlieren (IPCC 2022, AR6, Band 2, Kapitel 5.13.4).

Und wie sehr profitieren Gewinnerregionen des Klimawandels wirklich?

Zum Schluss noch ein genauerer Blick auf jene Gegenden, in denen die Erderwärmung in absehbarer Zeit zu besseren Ernten führen wird. Solche Gegenden gibt es auch in Europa, wobei die Gesamtbilanz des Kontinents gemischt ist. Für Südeuropa werden infolge zunehmender Trockenheit Ernteeinbußen etwa für Mais von zehn bis 25 Prozent bei einer Erwärmung von 1,5 bis zwei Grad Celsius erwartet sowie zwischen 50 und 100 Prozent bei einer Erwärmung von vier Grad Celsius. In West- und Mitteleuropa hingegen dürften die Verluste geringer ausfallen und im Norden Europas sogar positive Auswirkungen zu spüren sein (IPCC 2022, AR6, Band 2, Kapitel 13.5.1.1). Beispielsweise erwarten Wissenschaftler:innen, dass bis Ende des Jahrhunderts in Finnland der heute dort undenkbare Anbau von Silagemais möglich werden könnte (Peltonen-Sainio et al. 2009Peltonen-Sainio/Jauhiainen 2020) und sich die Anbaugebiete für Tomaten (Litskas et al., 2019) oder Weintrauben (Hannah et al., 2013) weiter nach Nord- und Osteuropa ausbreiten.

Doch was eine Erwärmung im hohen Norden und eine Erweiterung der nutzbaren Ackerflächen für die tatsächlichen Ernteerträge bedeutet, ist schwer zu kalkulieren. Denn die Temperatur ist – wie oben geschildert – lediglich ein Faktor für das Pflanzenwachstum. Studien in Finnland etwa haben gezeigt, dass die bereits aufgetretene Erwärmung nicht zu einer Verbesserung, sondern im Gegenteil sogar zu einer Verschlechterung der Ernten führte – weil es zugleich auch trockener wurde (Peltonen-Sainio et al. 2010). Außerdem dürften steigende Temperaturen dazu führen, dass sich zum Beispiel zuvor nicht heimische Pflanzenkrankheiten und Schadinsekten ausbreiten (IPCC 2022, AR6, Band 2, Kapitel 5.4.1.3; speziell für Deutschland siehe UBA 2022, KWRA, Band 2, Kapitel 4.2.5).

Der IPCC warnt deshalb vor übereilten und überzogenen Erwartungen in den klimatisch begünstigten Gegenden, so heißt es etwa im Kapitel zu Klimafolgen in Europa (IPCC 2022, AR6, Band 2, Kapitel 13, Executive Summary):

„Wegen einer Kombination aus Hitze und Dürre, sind für die meisten europäischen Gegenden im Laufe des 21. Jahrhunderts substanzielle Einbußen der Agrarproduktion zu erwarten, die nicht ausgeglichen werden durch Zuwächse im nördlichen Europa (große Gewissheit). Bei einer weltweiten Erwärmung um 3 °C werden zum Beispiel die Ertragsrückgänge für Mais 50 Prozent erreichen, insbesondere im südlichen Europa. Erträge mancher Kulturen (etwa Weizen) mögen im Norden zunehmen, wenn die Erwärmung 2 °C nicht überschreitet (mittlere Gewissheit). Bewässerung ist zwar eine wirksame Anpassungsmaßnahme für die Landwirtschaft, aber ihre Verfügbarkeit wird durch Wasserverfügbarkeit zunehmend begrenzt, insbesondere bei einer globalen Erwärmung von mehr als 3 °C.“

Sogar für die Landwirtschaft in Russland, wo laut manchen Behauptungen künftig eine neue „Kornkammer“ entstehen soll, bringt der Klimawandel in der Summe Nachteile, wie eine Studie zusammenfasste (Ksenofontov/Polzikov, 2020):

„Die Folgen des Klimawandels für die russische Landwirtschaft sind nicht eindeutig und variieren je nach Region und Szenario. Im Allgemeinen werden die Auswirkungen des Klimawandels auf die landwirtschaftliche Produktivität als mäßig negativ eingeschätzt.“

Bei genauer Betrachtung zeigt sich nämlich, dass die infolge der Erderwärmung neu erschließbaren Flächen etwa in Sibirien eine eher geringe Bodenqualität aufweisen (Kiselev et al. 2013). Auch die eingangs zitierte Studie von Tchebakova et al. verweist ausdrücklich darauf, dass die Bodenqualität der „limitierende Faktor“ beim Zuwachs an Ackerflächen in Sibirien sein werde. Im Gegenzug aber wird als Folge des Klimawandels just für Regionen zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer, die bisherige „Kornkammer“ Russlands, zunehmende Trockenheit erwartet (Dronin/Kirilenko 2008).

„Für das 21. Jahrhundert zeigt unsere Studie genauso wie andere, dass das Risiko schwerer Dürren in der Zone mit den fruchtbarsten Böden zunimmt. Im Klima von heute, treten sie nur in einem relativ kleinen Gebiet im Unteren Wolgabecken häufig auf. In Zukunft wird sich das Gebiet häufiger, schwerer Dürren wahrscheinlich auf einen beträchtlichen Teil im Süden des europäischen Teils Russlands ausdehnen“,

warnen Dronin/Kirilenko 2011).

Liest man also genauer in wissenschaftlichen Studien, die sich mit der zukünftigen Entwicklung dieser vermeintlichen „Kornkammer“ auseinandersetzen, fällt das Fazit eher ernüchternd aus. Dronin/Kirilenko stellten schon im Fazit ihrer Studie von 2011 fest, dass es ja die Ansicht geben mag, die Erderwärmung sei vorteilhaft für die russische Landwirtschaft. Ihr kühles Fazit jedoch lautet: Es sei „unwahrscheinlich, dass diese Ansicht Bestand hat“. Und Ksenofontov/Polzikov 2020 schließen ihre Analyse mit der Feststellung, unter diesen Voraussetzungen müsse „der Aufbau strategischer Vorräte von landwirtschaftlichen Gütern ein zentrales Element“, werden um die Versorgung der (russischen) Bevölkerung zu sichern.

klimafakten.de/Stand: Juli 2014;
zuletzt aktualisiert: Dezember 2022