Gibt es wirklich einen Klimawandel?

Behauptung: „Wärmeinseln in Städten verfälschen Klimatrends“

Behauptung: „Eine Studie der Professoren Ross McKitrick und Patrick Michaels kommt zu dem Schluss, dass die Hälfte des globalen Erwärmungstrends zwischen 1980 und 2002 durch den Effekt städtischer Wärmeinseln hervorgerufen wird.“


Fakt ist: Der Einfluss von Städten auf Temperaturdaten wird oft überschätzt, der Erwärmungstrend unterscheidet sich in urbanen und ländlichen Gebieten kaum.
Antwort

Antwort: Es stimmt, dass städtische Regionen häufig wärmer sind als die sie umgebenden ländlichen Gebiete. Doch zahlreiche Studien zeigen, dass Klimatrends hierdurch nicht wesentlich beeinflusst werden. Auch wenn die absolute Temperatur in Städten höher liegt, unterscheidet sich der Temperaturanstieg allenfalls marginal.

Das Phänomen sogenannter „Städtischer Wärmeinseln“ (englisch: „Urban Heat Islands“, kurz: UHI) ist schon sehr lange bekannt: Über eng bebauten und dicht besiedelten Flächen ist die Luft gewöhnlich wärmer als über dem Umland.

Dieser Effekt, so wird gelegentlich behauptet, verfälsche die Entwicklungstrends des Klimas, etwa weil sich in den vergangenen Jahrzehnten die urbanisierten Gebiete auf der Erde rasch ausgeweitet hätten oder sich viele meteorologische Messstationen in Städten befänden. Wichtig für die Beurteilung der Frage, ob es eine Verfälschung gibt, ist aber weniger die absolute Temperatur über Städten, sondern vielmehr, ob es einen Unterschied zwischen den Temperaturveränderungen in urbanen und in ländlichen Gebieten gibt.

Fachleute haben diese Frage schon oft untersucht. Sie haben beispielsweise die Messdaten von abgelegenen Stationen (also von Orten, die nicht in der Nähe menschlicher Aktivitäten liegen) mit Daten aus Städten verglichen. Sie haben sich zum Beispiel Standorte im ländlichen und städtischen China angeschaut (da es in China in den vergangenen Jahrzehnten eine rapide Verstädterung gab, wuchs auch die Zahl städtischer Wärmeinseln). Das Ergebnis war klar: Zwar existiert ein Unterschied bei den Temperaturtrends zwischen ideal gelegenen ländlichen Messstationen und solchen in Städten, dieser kann lokal oder auch regional durchaus bedeutend sein (Yang et al. 2011). Doch auf großräumige oder gar globale Trends der Erderwärmung hat das – siehe Abbildung 1 – praktisch keinen Einfluss (Wickham et al. 2013).

Abbildung 1: Unterschied zwischen Temperaturdaten „sehr ländlicher“ (blau) und aller (rot) Messstationen des Berkeley-Earth-Projekts im Zeitraum 1950-2010 (dargestellt als Abweichung vom Mittelwert 1950-1980) Quelle: Wickham et al. 2013

Man kann die Behauptung, der UHI-Effekt verfälsche die Klimatrends, auch überprüfen, indem man sich die langfristige Erwärmung in verschiedenen Teilen der Erde anschaut: Hätte die Urbanisierung tatsächlich einen relevanten Effekt, dann müssten die Temperaturen dort am stärksten gestiegen sein, wo die meisten Menschen leben. Doch ein Blick auf die Weltkarte der Erderwärmung (Abbildung 2) zeigt: Am größten ist der Temperaturanstieg rings um den Nordpol, in Sibirien und Zentralasien – und nicht in Zentren der Verstädterung.

Abbildung 2: Veränderung der Durchschnittstemperaturen im Fünf-Jahres-Zeitraum 2017-2021 gegenüber dem langjährigen Durchschnitt; Gebiete mit Normaltemperatur sind weiß dargestellt, Regionen mit Abkühlung bläulich, Regionen mit Erhitzung in zunehmenden Gelb- und Rottönen; Quelle: Nasa/Giss

Auch wird meist übersehen, dass städtische Messstationen häufig in Parks oder am Stadtrand liegen, wo der Wärmeinseleffekt kaum spürbar ist und sich somit nicht auf die Messdaten auswirkt. Der Effekt städtischer Wärmeinseln hat also keinen nennenswerten Einfluss auf die Berechnung der globalen Temperaturtrends – er sei „vernachlässigbar“, so die deutliche Einschätzung des IPCC in seinem Sechsten Sachstandsbericht (AR6, WG1, Kap. 10, Box 10.3).

John Cook /klimafakten.de, September 2011; zuletzt aktualisiert: September 2022

In der Tat sind über dicht bebauten und eng besiedelten Gebieten die Lufttemperaturen oft höher. Doch die Unterschiede sind nicht sehr groß, und die Forschung treibt einen großen Aufwand, um diesen sogenannten Städtische-Wärmeinsel-Effekt (englisch: Urban Heat Island Effect, kurz: UHI-Effect) aus den Klimadaten herauszufiltern.

Im Prinzip ist das Wärmeinselphänomen seit rund 200 Jahren bekannt (erstmals wurde es vom britischen Forscher Luke Howard zu Beginn des 19. Jahrhunderts für London beschrieben). Deshalb überrascht es nicht, dass auch die Klimawissenschaft den Effekt genau untersucht hat (siehe z.B. Kapitel 2.4.1.3 von Band 1 des Fünften Sachstandsberichts von 2013, Box 10.3 in Kapitel 10 bzw. FAQ 10.2 in Kapitel 10 von Band 1 des Sechsten Sachstandsberichts von 2021).

Die Gründe für den Wärmeinseleffekt von Städten sind vielfältig: Zum Beispiel produzieren Heizungen und Klimaanlagen von Gebäuden oder Verbrennungsmotoren von Autos viel Abwärme. Auch heizt die Sonne Baumaterialien wie Stein oder Beton stärker auf als die vegetationsbedeckten Oberflächen in unbebauten Gebieten, und auf gleicher Fläche befindet sich in Städten mehr aufheizbares Volumen. Diese tagsüber aufgenommene zusätzliche Wärme wird in der Nacht wieder abgestrahlt und verzögert die Abkühlung im Stadtgebiet gegenüber dem Umland. Nicht zuletzt stehen auf bebauten Gebieten weniger oder keine Bäume oder andere Pflanzen, deren Blätter Wasser verdunsten und damit das Mikroklima kühlen könnten.

Abbildung 1: Warum sind Städte Brennpunkte der Erderwärmung? Diese Grafik aus dem IPCC-Report von 2021 zeigt Faktoren, die in Städten für eine zusätzliche Aufheizung sorgen (in Orange: Stadtstruktur, Abwärme, Wärmespeicherung) oder einen kühlenden Effekt haben können (in Grün: offene Wasserflächen und Pflanzen); Quelle: IPCC 2021, AR6, WG1, Kap. 10, FAQ 10.2

Dieser Wärmeinseleffekt ist deshalb nachts stärker als tagsüber, und zu windstillen Zeiten ist er stärker als zu windigen. Im Ergebnis führt er beispielsweise dazu, dass sommerliche Hitzewellen in Großstädten besonders stark spürbar sind. Sinkt die Temperatur in der Nacht nicht unter 20 Grad Celsius, spricht die Meteorologie von „Tropischen Nächten“. Für die kommenden Jahrzehnte wird infolge des Klimawandels für Deutschland mit einer erheblichen Zunahme solcher Nächte gerechnet.

Gelegentlich wird behauptet, dieser sogenannte Wärmeinseleffekt in Städten und andere menschliche Einflüsse auf die Temperatur-Messdaten verfälschten die Berechnung von Klimatrends. Vor einigen Jahren sorgte eine Untersuchung für einiges Aufsehen, die einen Zusammenhang zwischen sozioökonomischen Daten wie Bevölkerungsdichte oder Wirtschaftskraft und Temperaturen an der Erdoberfläche herstellte; korrigiere man diesen Effekt, verschwinde aus den Klimadaten die Hälfte der zwischen 1980 und 2002 gemessenen Erderwärmung (McKitrick/Michaels 2007). Die Studie fand jedoch lediglich Korrelationen für begrenzte Regionen und nur eine kurze Zeitspanne, sie wurde deshalb als nicht repräsentativ kritisiert (Schmidt 2009). McKitrick hielt seine Kritik in weiteren Veröffentlichungen aufrecht. Ein Blick auf die ganze Erde und die langfristige Erwärmung (Abbildung 2) zeigt jedenfalls, dass die Temperaturen besonders stark in Regionen gestiegen sind, die keine Bevölkerungs- oder Wirtschaftszentren sind: etwa rings um den Nordpol oder in Sibirien.

Abbildung 2: Veränderung der Durchschnittstemperaturen im Fünf-Jahres-Zeitraum 2017-2021 gegenüber dem langjährigen Durchschnitt; Gebiete mit Normaltemperatur sind weiß dargestellt, Regionen mit Abkühlung bläulich, Regionen mit Erhitzung in zunehmenden Gelb- und Rottönen; Quelle: Nasa/Giss

Grundsätzlich ist bei Diskussionen um den Einfluss von Wärmeinseln auf die Erderwärmung zwischen drei Dingen zu unterscheiden: erstens dem Erwärmungstrend in städtischen Gebieten, zweitens dem Erwärmungstrend in solchen Gebieten, die sich gerade erst im Prozess der Verstädterung befinden und drittens dem weltweiten Erwärmungstrend und dem Einfluss städtischer Wärmeinseln darauf.

Betrachtet man, erstens, die langfristige Erwärmung in städtischen Gebieten, dann ist der Einfluss des Wärmeinseleffekts gering. Beispielsweise kam schon vor vielen Jahren eine Studie des US-Ozean- und Atmosphärenzentrums (NOAA) zu dem Ergebnis, dass es kaum einen Unterschied macht für die Berechnung des Erwärmungstrends zwischen 1880 und 1998, ob man Temperaturdaten nur von ländlichen oder von allen verfügbaren Messstationen auswertet (Peterson et al. 1999). Und anders als vielleicht vermutet zeigte sich an ländlichen Stationen sogar ein etwas stärkerer Erwärmungstrend (0,7 Grad Celsius im Laufe eines Jahrhunderts gegenüber 0,65 Grad Celsius im globalen Durchschnitt).

Weil der Wärmeinseleffekt zu windstillen Zeiten besonders stark wirkt (weil in jenen Zeiten abgestrahlte Hitze nicht aus den Städten weggeweht wird), haben Studien explizit die Daten solcher Nächte jenen aus windreichen Nächten gegenübergestellt (zum Beispiel Parker 2004, Parker 2006). Fazit:

„Die Temperaturen sind in windigen und windstillen Nächten gleich stark gestiegen, was darauf hindeutet, dass die beobachtete allgemeine Erwärmung nicht durch die Urbanisierung verursacht wird.“

Eine spätere Studie desselben Wissenschaftlers, bei der er weitere Datensätze und Methoden einbezog, kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass städtische Wärmeinseln „nur einen unbedeutenden Einfluss“ auf die globalen Mitteltemperaturen an der Erdoberfläche haben (Parker 2010).

Jones et al. 2008 verglichen an mehreren Orten weltweit die Temperaturentwicklung in Städten mit jener auf dem Land. Fünf Messstationen in und um London (Abbildung 3) zeigen sehr deutlich: Bei den absoluten Temperaturen unterscheiden sich Stadt und Land durchaus, aber die Entwicklungstendenz ist sehr ähnlich.

Abbildung 3: Jährliche Temperaturentwicklung an fünf Messstationen in und um London – die städtischen Standorte London Weather Centre (braun) und St. James Park (dunkelblau) zeigen das höchste Temperaturniveau, das ländliche Rothamsted (dunkelgrün) das niedrigste, dazwischen liegen die Stationen an den Flughäfen Heathrow und Gatwick, der jahrzehntelange Entwicklungstrend aber verläuft weitgehend parallel; Quelle: Jones et al. 2008 

Ein ähnlicher Vergleich wurde für zwei Messstationen in Wien durchgeführt (Abbildung 4) – wieder sind die absoluten Temperaturen in der Innenstadt höher, aber beide Standorte weisen einen fast identischen Trend auf.

Abbildung 4: Jährliche Temperaturentwicklung an zwei Messstationen in Wien – die Werte von Hohe Warte im Stadtzentrum (braun) liegen höher als jene im ländlichen Groß Enzersdorf (grün), aber die Tendenz ist gleich; Quelle: Jones et al. 2008

Eine Untersuchung der Daten australischer Wetterstationen belegte ebenfalls, dass die Erwärmungstrends an städtischen Messpunkten etwa in Sydney oder Melbourne nicht stärker ausfielen als in ländlichen Gegenden (Trewin 2012). Auch eine Untersuchung von 289 US-Wetterstationen (Peterson 2003) ergab, dass

„im Gegensatz zur landläufigen Meinung in den Jahrestemperaturen keine statistisch signifikanten Einflüsse der Verstädterung festgestellt werden konnten … Zwar mögen städtische Industriegebiete deutlich wärmer als ländliche Regionen sein, aber meteorologische Messungen werden eher in kühlen Bereichen (etwa in Parks) durchgeführt als in Industriegebieten.“

In all diesen Arbeiten zeigte sich also, dass die Temperaturtrends in etablierten städtischen Regionen sich kaum von jenen in ihrer ländlichen Umgebung unterscheiden.

Doch was ist mit Gebieten, in denen die Urbanisierung noch läuft, also mit meteorologischen Stationen, deren Umfeld einst ländlich war und jüngst verstädterte? Zur Beantwortung dieser Frage wurden besonders häufig Daten aus China analysiert, das im Gegensatz zu Europa in den vergangenen Jahrzehnten ein starkes Wirtschaftswachstum mit einem enormen Zuwachs städtischer Gebiete erlebte. Wenn die Erwärmung wirklich durch den Prozess der Verstädterung beeinflusst würde, dann müsste sich dieses Phänomen in China gezeigt haben.

Li et al. 2004 etwa untersuchten den Einfluss des Wärmeinseleffekts für einzelne Regionen Chinas. Ergebnis: Mancherorts hat dieser die allgemeine Klimaerwärmung leicht verstärkt, es gab aber auch Gegenden, an denen der Einfluss gering war oder der Grundtrend durch die Einbeziehung stark wärmeinselbeeinflusster Messstationen sogar leicht abgeschwächt wurde. Tang et al. 2008 und Yang et al. 2011 kamen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Auswirkungen des Wärmeinseleffekts lokal und regional sehr unterschiedlich ausfielen. Vor allem in großen Städten war eine deutliche Verstärkung der Erwärmung zu verzeichnen, dort konnte er bis zu 44 Prozent des Trends ausmachen. Man könne daher davon ausgehen, so das Fazit, dass rasante Urbanisierung einen signifikanten Effekt auf die Erwärmung an betroffenen Orten habe. Auch spätere Studien bestätigten diesen Zusammenhang (zum Beispiel Shi et al. 2019 oder Park et al. 2017, die in Südkorea einen „schwachen Einfluss der Urbanisierung auf die lokale Erwärmung“ fand).

Wenn man den Zeithorizont lang genug wählt, dann zeigt sich dieser Effekt auch an bereits länger verstädterten Orten – etwa an den Temperaturdaten von Tokio (Abbildung 5):

Abbildung 5: Entwicklung des Jahresmittels der Temperaturen seit 1900 in Tokio (rot) und weltweit (blau). Quelle: Wickham et al. 2013

Dieser lokale Effekt einer aktuell ablaufenden Verstädterung ist in der Klimaforschung gut bekannt – und lediglich ein Sonderfall dessen, was dort als Folgen veränderter „Landnutzung und Landbedeckung“ (engl.: land use and land cover, kurz: LULC) bezeichnet wird. So wie beispielsweise die Verwandlung von Regenwald in Äcker die klimatischen Eigenschaften der Fläche verändert, hat natürlich auch eine urbane Besiedlung von Ackerflächen spürbare (kleinräumige) Folgen.

Dieser Effekt jedoch wird von der Klimaforschung beachtet: Es ist Standard, die Rohdaten meteorologischer Stationen zu bearbeiten (um beispielsweise Diskrepanzen auszugleichen, die aus dem Wechsel von alten zu neuen Messgeräten resultieren können oder aus unterschiedlichen Zeitpunkten, an denen die Temperaturen gemessen werden). Bei dieser so genannten „Homogenisierung“ der Daten werden auch Wärmeinseleffekte oder Effekte einer laufenden Verstädterung berücksichtigt. Beispielsweise werden langfristige Tendenzen in Städten mit jenen der ländlichen Umgebung abgeglichen und dann die städtischen an die ländlichen Daten angepasst. Im Detail ist das Verfahren beispielsweise in Hansen et al. 2001  beschrieben, die Weltmeteorologieorganisation hat dazu eine mehr als 60-seitige Richtlinie vorgelegt (PDF der 2020er-Ausgabe).

Dasselbe gilt übrigens für ganz direkte Umgebungseinflüsse auf einzelne Messstationen. Im Internet kursieren Fotos von Standorten, an denen die Temperaturwerte angeblich durch benachbarte Klimaanlagen oder Abgase von Flugzeugtriebwerken verfälscht würden. Um auf die Kritiker:innen einzugehen, wurden vor einigen Jahren angeblich schlechte Stationen mit solchen verglichen, an denen selbst die Kritiker:innen nichts auszusetzen hatten (Menne et al. 2010). Ergebnis: In den Rohdaten gab es tatsächlich signifikante Unterschiede, die aber bei der routinemäßigen Homogenisierung korrigiert wurden – und nach der Korrektur seien an den kritisierten Stationen einige Messwerte sogar zu niedrig gewesen.

Während die Urbanisierung also lokal durchaus ins Gewicht fallen kann, ergibt sich bei überregionaler und erst recht globaler Betrachtung ein anderes Bild: Je größer die untersuchte Region ist, desto weniger wird eine Verstärkung des Erwärmungstrends durch lokale Effekte (wie städtische Wärmeinseln es sind) spürbar.

So betont Li et al. 2004, dass chinaweit in allen Regionen die Verstädterung während der zuvor vergangenen 50 Jahre höchstens 0,06 °C der gesamten Erwärmung (entsprechend maximal zehn Prozent) ausgemacht hat – sie also keinen großen Einfluss hatte. Eine andere Studie bezifferte den Anteil des Verstädterungseffekts zwar deutlich höher (Sun et al. 2016), mit etwa einem Drittel war er aber auch hier nicht der entscheidende. Die bereits erwähnte Studie Jones et al. 2008 kam zu dem Ergebnis, dass – bei Betrachtung ganz Chinas – die durch die Urbanisierung verursachte Erwärmung von deutlich untergeordneter Bedeutung war. Die oben ebenfalls erwähnte Studie zu Südkorea bezifferte den Einfluss für die gesamte Landesfläche und einen Zeitraum von hundert Jahren auf lediglich drei bis elf Prozent der verzeichneten Gesamterwärmung (Park et al. 2017):

Abbildung 6: Temperaturtrends in China zwischen 1951 und 2004 – grün und grün gepunktet dargestellt sind die Daten von jeweils 42 ländlichen Messstationen, braun und braun gepunktet die (homogenisierten) Daten von 42 bzw. 40 städtischen Stationen, die blaue Kurve beruht auf (unbereinigten) Daten von 728 städtischen und ländlichen Stationen, die rote auf dem Datensatz CRUTEM3v des britischen Hadley-Centers (die Grafik zeigt eine Abweichung der einzelnen Jahre vom Temperaturdurchschnitt der Basisperiode 1954-83;. Quelle: Jones et al. 2008

Erst recht für den weltweiten Klimatrend ist daher ein Einfluss des städtischen Wärmeinseleffekts kaum relevant. Sehr konservativ formuliert der IPCC im Fünften Sachstandsbericht seine Bewertung des Themas (IPCC 2013, AR5, WG1, Kapitel 2.4.1.3):

„Es ist unbestreitbar, dass UHI und LULC die Rohdaten zur Temperatur beeinflussen. Die Frage ist, wie viel davon in den bearbeiteten, weltweiten Datensätzen verbleibt … Es ist unwahrscheinlich, dass irgendein unkorrigierter Wärmeinsel- oder LULC-Änderungs-Effekt den durchschnittlichen weltweiten Erwärmungstrend um mehr als zehn Prozent erhöht hat (große Sicherheit, basierend auf robusten Belegen und hoher Übereinstimmung). Dies ist ein Durchschnittswert. Der Einfluss von UHI und LULC-Veränderung auf regionale Trends kann substanziell größer sein.“

Deutlich entschiedener formulierte es ein Team des BEST-Projekts an der Universität Berkeley, deren Mitglieder anfangs zu Kritiker:innen der etablierten Klimaforschung gehörten. Sie verglichen in einer Untersuchung speziell zum Wärmeinseleffekt die Daten von fast 16.000 „sehr ländlichen“ Wetterstationen mit ihrem weltweiten Datensatz, der insgesamt knapp 37.000 Stationen umfasst – das Ergebnis zeigt Abbildung 7:

Abbildung 7: Unterschied zwischen Temperaturdaten „sehr ländlicher“ (blau) und aller (rot) Messstationen des Berkeley-Earth-Projekts (dargestellt als Abweichung vom Mittelwert 1950-1980) Quelle: Wickham et al. 2013

Das Fazit der Berkeley-Forscher:innen: Sie fanden „keinen städtischen Erwärmungseffekt im Zeitraum 1950 bis 2010“ (Wickham et al. 2013). Der Sechste IPCC-Sachstandsbericht (AR6) aus dem Jahr 2021 kommt ebenfalls zu der klaren Einschätzung, dass der Einfluss der Verstädterung auf die mittlere Erdoberflächentemperatur „vernachlässigbar ist“ (IPCC 2021, AR6, WG1, Kap. 10, Box 10.3). Und er betont, dass die Temperaturdaten von Messungen aus Städten würden „bei der Berechnung der globalen Erwärmungstrends um diesen Effekt bereinigt“ (IPCC 2021, AR6, WG1, Kap. 10, FAQ 10.2).

Ausführlicher widmet sich der Report übrigens den Folgen des Wärmeinseleffekts für die menschliche Gesundheit: Die häufigeren und intensiveren Hitzewellen im Zuge des Klimawandels kombiniert mit der zusätzlichen Erhitzung in dichtbesiedelten und -bebauten Gegenden machen Städte zu buchstäblichen Hotspots der globalen Erwärmung. Je länger Hitzewellen besonders in Städten andauern, desto wahrscheinlicher endet das tödlich – gerade für vorerkrankte und alte Menschen (IPCC 2021, AR6, WG1, Kapitel 7.1.7.3.5; siehe auch IPCC 2019, SR15, Kap. 3.5.5.8).

John Cook/klimafakten.de, November 2012; zuletzt aktualisiert: September 2022