Komila Nabiyeva

Bonner Klimaverhandlungen: Nicht alles ist gescheitert

Die Klimaverhandlungen in Bonn hatten das Ziel, den Boden für die kommende UN-Klimakonferenz COP28 in Dubai vorzubereiten. Starke Interessenskonflikte und ein langer Streit um die Agenda haben den notwendigen Fortschritt verhindert, doch es gab auch positive Entwicklungen, sagen die Beobachter:innen.

Als „Erbärmlich“ bezeichnete der Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres die Ergebnisse der UN-Klimaverhandlungen, in deren Rahmen die Delegierten aus der ganzen Welt vom 5. bis 15. Juni in Bonn getagt haben. „Wir rasen mit offenen Augen auf eine Katastrophe zu - und viel zu viele sind bereit, alles auf Wunschdenken, unerprobte Technologien und Patentrezepte zu setzen“, so Guterres. 

Das Ziel der Verhandlungen war, die nächste UN-Klimakonferenz COP28 vorzubereiten, die im Dezember in Dubai stattfindet. Doch bei den meisten Themen „wurde auf der Stelle getreten“, kommentiert Reimund Schwarze, Klimaökonom beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, der seit Jahren die internationalen Klimaverhandlungen begleitet. Interessenskonflikte bleiben groß: Alleine darum, welche Themen auf die Tagesordnung in Bonn kommen, haben die Delegierten bis zum vorletzten Tag gestritten. 

Kaum Fortschritt bei globaler Bestandaufnahme

Der große Streitpunkt war, ob das sogenannte „Arbeitsprogramm zur Emissionsminderung“ auf der Agenda stehen soll. Das Programm zielt darauf ab, bis 2030 „die Ambitionen und die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen dringend zu verstärken“, um das Pariser Ziel von 1,5 Grad zu erreichen. Einige Entwicklungsländer stimmten dagegen. Ihr Argument: Um über Emissionsminderungen zu verhandeln, muss man auch über die finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer verhandeln. Kurz vor dem Ende der Verhandlungen kam es zu einem Kompromiss: beide Punkte wurden aus der Agenda weggelassen. 

Das zentrale Thema, dass in Bonn vorbereitet werden sollte, war die erste globale Bestandaufnahme zur Umsetzung des Pariser Abkommens, Global Stocktake genannt. Dabei geht es darum, den Stand der nationalen Maßnahmen zum Klimaschutz und -anpassung sowie Finanzierung zu überprüfen und den Kurs zum Erreichen der globalen Klimaziele zu verbessern. 

Bei der Vorbereitung des Global Stocktakes gab es aber kaum substantieller Fortschritt in Bonn, sagt Schwarze. Entsprechend rechnet er auch in Dubai nicht damit, dass sich die Staaten auf gemeinsame Kriterien zur Evaluation bisheriger Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel einigen. 

Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen nicht in Sicht

Portrait Reimund Schwarze
Portrait Reimund Schwarze
Klimaökonom Reimund Schwarze beobachtet die Klimaverhandlungen
©
UFZ

In Bezug auf Ausstieg aus fossilen Brennstoffen sind die Aussichten laut Schwarze ähnlich düster. In allen Dokumenten der Konferenz wird von der Absenkung „fossiler Emissionen“ gesprochen und auf Möglichkeit der CO₂-Abscheidung und -speicherung (CCS) gesetzt, was viele Beobachter:innen enttäuscht. „Es scheitert im Wesentlichen nicht nur an dem Wiederstand der Präsidentschaft der Vereinigten Arabischen Emirate über die COP28, sondern auch einiger Entwicklungsländer, insbesondere aus Afrika,“ sagt Schwarze.

Die COP28-Präsidentschaft steht schon lange in der Kritik, da viele Beobachter:innen zweifeln, dass das Land ernsthaft den globalen Klimaschutz vorantreiben will. Ahmed Al Jaber, der designierte Präsident der Konferenz, ist nicht nur der Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate, sondern auch der Chef des größten nationalen Öl- und Gaskonzerns ADNOC. Im Mai veröffentlichten etwa 130 europäische und US-amerikanische Parlamentarier:innen einen offenen Brief, in dem sie Al Jaber aufforderten, sein Amt angesichts massiven Interessenskonflikten niederzulegen. 

Kleiner Fortschritt bei Finanzen

Doch nicht alles ist in Bonn gescheitert, sagt Schwarze. Einen Fortschritt sieht er bei der Diskussion über den Fonds für Schäden und Verluste, den Loss and Damage Fund, auf den sich die Staaten auf der vergangenen Klimakonferenz geeinigt hatten. Der Fonds soll die Länder, die stark unter dem Klimawandel leiden, mit Geldern ausstatten. 

„Der Kompromiss der sich andeutet: es wird keine zwischenstaatliche Entschädigung geben. Vielmehr wird es vermutlich im Rahmen der Erhöhung der Klimafinanzierung, die in Dubai erwartet wird, eine daran gekoppelte Ausstattung für den Loss und Damage Fund geben,“ erklärt Schwarze. „Man spricht von einem vordefinierten Prozentsatz für sehr eng umrissene Leistungen. Dabei geht es um Migrationsfragen, Inselstaaten und Entwicklungen wie steigender Meeresspiegel.“

Außerdem gab es Signale von einigen Ländern, unter anderem von Japan, sich an der versprochenen Klimafinanzierung mehr zu beteiligen. 2009 sicherten die Industrieländer zu, den Entwicklungsländern bis 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen, um sie bei der Minderung der Emissionen und der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Das Ziel wurde bis jetzt nicht erreicht. Schwarze erwartet, dass sich bei dem für September geplanten Climate Ambition Summit in New York einige Länder bereit erklären, ihre Klimafinanzierung zu erhöhen. „Diese beschämende Lücke bei den 100 Milliarden könnte damit endlich gelöst werden,“ so Schwarze.

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